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Rosarote Zeit
bei Magenta

Ullrich-Sieg und starker Ludewig

Pontedera (dpa). Jan Ullrich hat sich mit seinem überzeugenden Sieg im Einzelzeitfahren selbst überrascht und neue Hoffnungen auf den zweiten Sieg bei der Tour de France geschürt.

»Ich habe mit dieser Leistung nicht gerechnet«, bekannte der T-Mobile-Kapitän. »Umso größer ist natürlich meine Freude, dass ich die Bestzeit bis zum Ende gehalten habe«, fügte er hinzu. Auf dem Weg zur Bestform nahm Ullrich nicht nur dem italienischen Tour-Favoriten Ivan Basso 28 Sekunden ab, sondern setzte sich auch im teaminternen Wettbewerb gegen die Spezialisten Sergej Gontschar und Michael Rogers klar durch.
Das Team T-Mobile setzte damit die gute Vorstellung beim Giro fort. Nach dem Rosa Trikot für Gontschar und Olaf Pollack glückte nun endlich auch ein Etappensieg - der erste große Erfolg des Teams in einem Frühjahr, das bislang durch offene und aggressive Fahrweise, aber selten zählbaren Erfolg gekennzeichnet war. Umso größer war nun der Jubel im Magenta-Lager. »Wir sind glücklich. Es hat geklappt«, sagte Ullrichs Mentor Rudy Pevenage. Jeder Beobachter des Giro hatte im Zeitfahren einen starken Jan Ullrich erwartet. Wann, wenn nicht hier, sollte er seinen Formanstieg nachweisen. CSC-Chef Bjarne Riis, von dem Wochen zuvor noch Kritik an Ullrichs Vorbereitung kolportiert wurde, war sich sicher: »Jan wird ein exzellentes Zeitfahren absolvieren.« Und auch Basso zählte seinen Tour-Rivalen zum engsten Favoritenkreis.
Nur Ullrich selbst und sein Betreuerstab stapelten noch tief. »Ich werde nicht voll fahren. Ich fühle mich noch nicht so weit«, meinte er und ließ sich im Vorfeld keine großen Sprüche entlocken. Dann, beim Zeitfahren selbst, als es gut lief und der gebürtige Rostocker sich stets in der Nähe der Bestzeit wusste, legte er noch einmal zu. Vielleicht gehören das Zittern und Bangen, die Enttäuschung und die unverhoffte Freude einfach zur Karriere des Jahrhunderttalents.
In Hinblick auf die Tour hat Ullrich ein Signal gesetzt. Mehr nicht. 28 Sekunden holte er gegenüber Ivan Basso auf dem flachen, einfach zu fahrenden Kurs heraus. 28 Sekunden sind ein Hauch verglichen mit jenem Abstand, den Basso in den Bergen zwischen sich und den T-Mobile-Kapitän legen kann. Weiteren Aufschluss über die Realisierbarkeit des Projekts Tour-Sieg werden die nächsten Bergetappen geben. Ein oder zwei von ihnen hat sich Ullrich bereits als Tage der höchsten Belastung herausgepickt. »Bei den anderen werde ich mich aber hinten im Gruppetto einreihen«, sagte er. Auf jeden Fall aber gefällt es ihm beim Giro. »Ein schönes Rennen.« Hier kann er fahren, wie es ihm passt, und ohne Druck sein Können aufblitzen lassen.
Einen Tag nach seinem souveränen Sieg haben Ullrich und auch Basso einen ruhigen Tag eingeschoben. Mit Duldung der Top-Fahrer machte eine Spitzengruppe die Entscheidung auf der 12. Etappe unter sich aus. Die Tageswertung sicherte sich dabei der Spanier Joan Horrach. Das Rosa Trikot verteidigte Basso mit knapp zweieinhalb Minuten Vorsprung auf den Spanier Jose Enrique Gutierrez.
Das Renngeschehen wurde lange Zeit bestimmt von einer anfangs 15 Fahrer starken Spitze um T-Mobile-Profi Jörg Ludewig (Steinhagen) und Sven Krauß (Herrenberg) aus der Gerolsteiner-Mannschaft. Die Ausreißer hatten sich schon nach acht Kilometern zusammen gefunden und erreichten zeitweise einen Vorsprung von mehr als sieben Minuten. Das Feld ließ die Gruppe lange Zeit gewähren, weil kein Fahrer weniger als elf Minuten Rückstand auf Spitzenreiter Basso aufwies. »Schade, dass es für mich nicht ganz gereicht hat. Ich habe viel in die Führungsarbeit investiert und konnte am Ende nicht mehr ganz mithalten«, sagte Ludewig nach dem Zieleinlauf.

Artikel vom 20.05.2006