18.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Einladung zum Missbrauch beklagt

Mitnahmeeffekte für vermeintliche Existenzgründer nicht ausgeschlossen

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Der Schritt in die Selbständigkeit gilt als Königsweg aus der Arbeitslosigkeit. Deshalb sponsert der Sozialstaat jeden, der sich traut. Aber Missbrauch und Verschwendung sind nicht weit, wenn Füllhörner großzügig ausgeschüttet werden.

Eine ganz besondere Einladung zum Missbrauch prangert das Institut der deutschen Wirtschaft an. Einem noch von Rot-Grün beschlossenen Gesetz zufolge werden Selbstständige seit Februar 2006 unter bestimmten Voraussetzungen in die Arbeitslosenversicherung aufgenommen. Die neue Regelung bringe allerdings ein ökonomisch nicht zu rechtfertigendes Missverhältnis zwischen geringen Beiträgen und großzügigen Leistungen mit sich, kritisieren die Kölner. Für den pauschal auf dem niedrigen Niveau von 39,81 Euro festgesetzten Beitrag erhalte etwa ein selbstständiger Akademiker, je nach Familienstand, bis zu 1364 Euro im Monat. Der normale Arbeitnehmer müsste für ein ebenso hohes Arbeitslosengeld stolze 191 Euro Monatsbeitrag einbezahlen - bei einem Eigenanteil von 96 Euro. Fazit: Die Selbstständigen werden in der Arbeitslosenversicherung mit bis zu 151 Euro von den abhängig Beschäftigten subventioniert.
Vor allem lade das rot-grüne Konstrukt förmlich zum Missbrauch ein, heißt es. Denn es biete einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die Möglichkeit, sich auf gut Glück selbstständig zu machen und bei ausbleibenden Aufträgen ohne Prüfung auf Bedürftigkeit das Arbeitslosengeld zu kassieren. Im Extremfall könnte ein Selbstständiger zwölf Monate in die Arbeitslosenversicherung einzahlen und sich dann mit deren Leistungen einen bis zu sechsmonatigen Urlaub gönnen.
Sehr viel bescheidener nimmt sich da die Neuregelung nach dem Ende der gleichfalls gern abgegriffenen Ich-AG-Förderung aus.
In diesem Fall wird Mitnahmeeffekten ein Riegel vorschieben, indem der Anspruch auf das Arbeitslosengeld während der neuen Selbständigen Förderung »verbraucht« wird.
Wie gestern kurz gemeldet, wird arbeitslosen Existenzgründern künftig ein Zweistufen-Modell angeboten. In Phase eins, so Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner aus Gütersloh, setzt sich die Förderung aus dem Arbeitslosengeld und einer zusätzlichen Pauschale von 300 Euro pro Monat zusammen, angelegt auf neun Monate.
Erweist sich das Geschäftskonzept bei einer Überprüfung durch die Agentur für Arbeit als solide, soll die Pauschale von 300 Euro pro Monat in der zweiten Stufe für weitere sechs Monate ausgezahlt werden. Die alte Ich-AG bot bis zu drei Jahre - allerdings sinkende - Stütze.

Artikel vom 18.05.2006