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Leichter Mathe lernen
durch Bewegungsspiele

Unterrichtsversuche an der Grundschule Brake


Bielefeld (sas). Die Fähigkeit zum Begreifen hängt oft mit der Gelegenheit zum Greifen und Handeln zusammen. Oder, wissenschaftlich ausgedrückt: Kognition lässt sich sensomotorisch unterstützen. Dass Bewegungsspiele auch im ersten Mathematikunterricht sinnvoll sind und Kompetenzen fördern, haben Wissenschaftler der Universität nachgewiesen. Prof. Dr. Christa Kleindienst-Cachay, Dr. Simon Hoffmann und Martin Sprenger, Lehrer an der Grundschule Brake, haben Ergebnisse aus einem Unterrichtsversuch am Tag des Schulsports vorgestellt.
Die Mathematikdidaktik hat eine klare Vorstellung davon, wie Kognition, Erkenntnis, entsteht: Danach hat sich während der Evolution in biologischen Systemen die Fähigkeit entwickelt, Reaktionen auf Umweltreize bei Bedarf von der Motorik, also von der prompten körperlichen Reaktion, abzukoppeln. Das will sich der Anfangsunterricht zunutze machen: Konkrete Handlungen begünstigen die Entwicklung mentaler Vorstellungen, die irgendwann auch losgelöst von der Handlung »funktionieren«. Rechenstrategien, die also durch Bewegungsspiele eingeübt wurden, haben die Kinder künftig auch »drauf«, ohne zu hüpfen oder zu laufen.
»Im Anfangsunterricht, also in den ersten zehn Wochen, erleichtern gezielte Bewegungsspiele das mathematische Verstehen«, sagt Kleindienst-Cachay. Vor allem Zahlbegriffe, die »Mächtigkeit« von Zahlen und ihre verschiedenen Darstellungen - als Ziffer, durch Punkte oder durch Striche - können Kindern körperlich erfahrbar gemacht werden.
»Man unterteilt zum Beispiel eine Laufstrecke durch Pylonen. Die Kinder merken sofort, dass sie weiter laufen müssen, wenn sie zur sechsten Pylone wollen als wenn sie nur die 3 erreichen wollen«, beschreibt Kleindienst-Cachay. Und die Darstellung von Zahlen in Fünferpäckchen durch Striche (immer vier nebeneinander und ein fünfter Strich quer darüber) lassen die Wissenschaftler die Kinder nachspielen: indem sie sich auf den Boden legen und die 6 oder 7 als kleine Strichlein verkörpern. So sollen die Kinder erfahren, dass Zahlen, die strukturiert angeordnet sind, auf einen Blick zu erfassen sind. Da die darzustellenden Zahlen zuvor erwürfelt werden müssen, gilt es zudem, die Punkte vorab abzuzählen.
Selbst wenn in den ersten Wochen kaum ein I-Dötzchen an der Mathematik »scheitert«, so die Sportwissenschaftlerin, bemerken Lehrer doch durch diese Bewegungsspiele etwaige Schwächen früher. Und: »Gerade für Schüler mit Konzentrationsschwierigkeiten, die nicht lange ruhig sitzen können, ist dieses Konzept sinnvoll, ermöglicht einen spielerischen Zugang zu mathematischen Inhalten und eine Anschauung. Martin Sprenger, der an der Grundschule Brake mit den Schülern arbeitet und sowohl Mathematik als auch Sport unterrichtet, ist der Meinung, dass der Sport auch über den Anfangsunterricht hinaus, wenn allmählich abstrahiert wird, hilfreich ist. Er lässt mittlerweile auch das Teilen im Sport nachstellen.

Artikel vom 19.05.2006