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Etwas zu impulsiver Abgeordneter

Film erinnert an Gerd Bucerius, der morgen 100 Jahre alt geworden wäre

Von Christoph Trost
Hamburg (dpa). Einen »herausragenden Mann« nennt ihn Altkanzler Helmut Schmidt, als »verrückten Kerl« und »zu intellektuell« bezeichnet ihn Medien-Manager Gerd Schulte-Hillen: Gerd Bucerius, Verleger und Mitbegründer der Wochenzeitung »Die Zeit«, wäre morgen 100 Jahre alt geworden.

Aus diesem Grund sendet die ARD heute (23.15 Uhr) eine ausführliche Dokumentation über den 1995 gestorbenen Zeitungsmacher, der als einer der bedeutendsten deutschen Nachkriegs-Journalisten gilt. Das große Verdienst der beiden Autoren, Knut Weinrich und Florian Huber, ist, dass sie in ihrem Porträt zahlreiche Kollegen und Weggefährten Bucerius' ausführlich zu Wort kommen lassen. »Zeit«-Redakteure berichten über ihren früheren Chef, und ehemalige Verleger-Kollegen erzählen bunte Anekdoten, die das Wesen des gelernten Rechtsanwalts anschaulich vor Augen führen. »Bucerius ist der liebenswerteste Schuft, den ich je kennen gelernt habe«, sagt da der frühere Gruner+Jahr-Vorstand und Bertelsmann-Aufsichtsratschef Schulte-Hillen. Und der ehemalige »Zeit«-Feuilletonchef Fritz J. Raddatz schwärmt: »Ein großartiger Verleger - und ein Besessener!«
Mit Hilfe der Interviews, mit Archivmaterial und neu eingespielten Filmsequenzen zeichnen die Autoren Bucerius' Werdegang nach: So erfährt der Zuschauer, dass der am 19. Mai 1906 im westfälischen Hamm geborene Bucerius zunächst als Anwalt arbeitete und nach dem Zweiten Weltkrieg Verleger der »Zeit« und später auch des »Sterns« wurde - und dass er zudem Politiker war: Bucerius wurde 1946 Bausenator in Hamburg, später war er mehr als zehn Jahre lang CDU-Bundestagsabgeordneter in Bonn, und er war Berlin-Beauftragter. Dabei thematisiert der Film auch die enge Beziehung Bucerius' zu Konrad Adenauer und den späteren Bruch mit dem CDU-Kanzler und der Partei. »Ein wenig zu impulsiv« sei Bucerius für die Abgeordneten-Tätigkeit gewesen, sagt Altkanzler und »Zeit«-Herausgeber Helmut Schmidt heute.
Es geht aber auch um den »Privatmann« Bucerius. Dass er ein Hypochonder war, berichtet beispielsweise seine langjährige Lebensgefährtin Hilde von Lang. Gerd Bucerius starb am 29. September 1995.

Artikel vom 18.05.2006