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Der Handballer liebt Fußball

WM-Paten (Folge 28): Serbe Dragan Sudzum wäre gerne selbst mit dabei

Von Volker Krusche und
Jörn Hannemann (Foto)
Lübbecke (WB). Er streift sich das Trikot über -Êund stellt fest: »Kein Vergleich mit meinem!« Der das sagt, ist Nationalspieler von Serbien und Montenegro. Aber kein Fußballer, sondern Handballer. Doch Dragan Sudzum, Linksaußen von Bundesligist TuS N-Lübbecke, wäre viel lieber der Kicker-Zunft beigetreten. »Vielleicht wäre ich dann jetzt in Deutschland dabei.«

Dragan Sudzum wechselte vor einem Jahr aus Belgrad, wo er für den ruhmreichen Handballverein Partizan auf Torejagd ging. Und seine Wahlheimat wurde schnell zur neuen Liebe. Frisch vermählt mit Ehefrau Zvezdana wurde Töchterchen Nadja in Lübbecke geboren, »so dass ich zu Deutschland immer einen besonderen Bezug haben werde«.
Daher drückt der 28-Jährige auch den Deutschen die Daumen, gibt sich aber skeptisch. »Die Vorrunde sollten sie überstehen. Aber viel mehr traue ich der Mannschaft nicht zu. Sie hat es in der Vorbereitung nicht einmal geschafft, gegen einen Großen des Weltfußballs zu gewinnen. Hinzu kommt, dass der Druck im eigenen Land sehr groß ist.« Doch vielleicht kommt es ja auch anders, »wird der Fan, der zwölfte Mann, das junge Team ja beflügeln. Unmöglich erscheint mir das nicht.«
Seine Favoriten sind andere. Brasilien natürlich. Und Argentinien. »Wenn wir uns nicht revanchieren und sie weghauen...« Und natürlich die Italiener. Und für die hat Dragan ein paar passende Worte parat: »Bei uns gibt es ein Sprichwort, das abgewandelt so viel bedeutet, wie: Wenn man Glück hat, dann kann man nur ein Italiener sein.« Glück wünscht Sudzum natürlich seinem Heimatland. Für das hätte auch er gern ans Leder getreten. »Mein Beruf ist der Handball, aber meine Liebe der Fußball!« Und der 100-malige Nationalspieler in Sachen »Handball« ist felsenfest der Überzeugung, »dass ich auch als Fußballer meinen Weg gemacht hätte. Vielleicht bis zum Nationalspieler und damit jetzt nach Deutschland«.
Bis zu seinem 15. Lebensjahr hatte er mit Handball noch nichts zu tun. Fußball, immer nur Fußball bestimmte seinen Tagesablauf. Und er war ein Guter. Allerdings lebte Dragan in einem kleinen Ort namens Backa Palanka. Und da gab es keine Möglichkeiten, sich entsprechend weiter zu entwickeln. »Wir hatte in unserer Stadt kein gutes Team.« Da seine Freunde nun alle Handball spielten, sattelte auch Sudzum um -Êund wurde ein Topspieler. »Eine Entwicklung, die ich wohl auch im Fußball genommen hätte.«
Kein Wunder also, dass er in Sachen Fußball auf dem Laufenden ist. »Es kommt ja auch nicht alle Tage vor, dass sich meine Heimat für die WM qualifiziert. Alle waren aus dem Häuschen, feierten auf den Straßen, bildeten Autokorsos.« Und so soll es vom 9. Juni an weitergehen. »Auch wenn wir wohl die schwerste Gruppe erwischt haben. Über die Qualitäten von Argentinien und Holland müssen wir nicht reden. Und die Elfenbeinküste gilt als stärkster afrikanischer Vertreter. Aber bei uns hofft jeder, dass wir diese Todesgruppe überstehen.«
Sudzum ist jedenfalls zuversichtlich. »Warum soll uns das nicht gelingen? Danach wäre dann sicherlich alles möglich.« An der nötigen Motivation wird es auf gar keinen Fall mangeln: »Wir haben mit beiden Topteams noch Rechnungen offen, weil sie uns schon mal rausgeworfen haben. Und ich bin mir sicher, dass wir gegen beide nicht verlieren werden.« Der Grund für seinen Optimismus: »Wir haben eine starke Qualifikation gespielt: Unsere Abwehr ist überragend, unser Mittelfeld stark, im Angriff besitzen wir einige namhafte Stürmer.«
Aber ein anderer Faktor ist für ihn, der sich vom 4. Juni an daheim auf die WM-Qualifikationsspiele gegen Tschechien vorbereitet und anschließend bis zum Vorbereitungsstart beim TuS N-Lübbecke die Fußball-Weltmeisterschaft mit seinen Freunden in der Heimat verfolgen wird, noch entscheidender: »Früher waren wir eine Ansammlung guter Spieler, aber heute sind wir eine Mannschaft geworden, in der es keinen Sonderstatus mehr gibt.«

Artikel vom 18.05.2006