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Das Leben des Kaufmanns Arno

Neues Buch von Sigrid Lichtenberger

Schildesche (ken). »Arno war kein Held. Er war hässlich, schielte, und er war weinerlich.« So, berichtet die Bielefelder Autorin Sigrid Lichtenberger, sah ihn sein Vater, doch dem benachteiligten Mann gelang es dennoch, sein schwieriges Leben zu meistern. Am Dienstagabend stellte sie vor mehr als 30 Literaturfreunden im Matthäus-Gemeindehaus ihre neueste Veröffentlichung vor, die Familiengeschichte »Arno - Kaufmann in Leipzig«.

Es ist das Leben ihre Onkels, aus dem sie erzählt, seinen Namen hat sie jedoch geändert. »Arno hat seine Verantwortung für Geschäft und Familie betont, in der Zeit von zwei Weltkriegen, Inflation und zwei Diktaturen.«
Niedergelegt hat er seine Gedanken zu den Ereignissen seines Lebens in Briefen, die er seinen fünf Nichten schickte; Sigrid Lichtenberger ist eine von ihnen. Anhand dieser persönlichen Aufzeichnungen entwickelte die Autorin nun die Geschichte des Leipziger Kaufmanns Arno - der Onkel, den sie selten hat besuchen können, verstarb vor dem Mauerfall.
Die Besucher lauschten selbstvergessen, so manches Mal kommentierten sie zeitgeschichtliche Eigenheiten mit Nicken, Schmunzeln oder zustimmenden Lauten - mancher konnte sich selbst noch daran erinnern. Besonders beeindruckt war das Publikum von der Szene, bei der Arno mit seiner Familie ein Fest besucht: Unbegreiflich erscheint ihm die herausgeputzte Oberflächlichkeit der Gäste angesichts der Krisenzeit unter Hitler. Keinem kann er anvertrauen, dass er ein Zimmer hinter seinen Geschäftsräumen sogenannten »Anti-Gruppen« zur Verfügung stellt. Im Anschluss an diese Szene erfolgte eine Unterbrechung, um den bewegten Zuhörern die Möglichkeit zum Gespräch zu geben - viele hatten als Kinder die Hitlerzeit miterlebt.
»Wir sind die erste öffentliche Hörerschaft dieses Werkes«, bemerkte Pfarrer Christoph Steffen. Bereits zum fünften Mal präsentiert Sigrid Lichtenberger eines ihrer Werke in seiner Gemeinde. Auch hat es zahlreiche andere Lesungen mit Autoren aus der Region gegeben. «Es kommt uns auf die Verbindung von Lebensgeschichte mit Glaubensgeschichte an«, erläutert der Pfarrer. Wie jetzt seien die Lesungen immer gut besucht, denn der Kontakt mit den Autoren freue die Gemeindemitglieder besonders.
Ins Leben gerufen wurde diese Lesungsreihe von Sigrid Lichtenberger persönlich, die auch selbst der Gemeinde angehört und sich sehr engagiert. »Sie leitet einen Abendkreis, schreibt Theaterstücke für unsere alljährliche Bibelwoche und gehört zu den Trägern unserer Partnerschaft nach Argentinien«, zählt Christoph Steffen auf.
Nach Bielefeld kam die gebürtige Leipzigerin 1953. Seit den 1980er Jahren hat sie zahlreiche Lyrik und Prosabände veröffentlicht. Ihr jüngstes Werk erschien im Frühling dieses Jahres beim Bielefelder Pendragon Verlag.

Artikel vom 19.05.2006