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Hörgenuss dank Röhrentechnik

Otto Kühnhöfer macht aus seinem Friseursalon ein exquisites Klangstudio

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Die Katastrophe brach Ende der 60er über die Menschheit herein: das Transistorradio. Otto Kühnhöfer gehört zum kleinen Zirkel derer, die noch den kristallklaren Klang, den einzig die Röhrentechnik garantiert, zu schätzen wissen.

Ein weltweit einzigartiges Plattenlaufwerk, ein Tonarm aus kanadischem Ahorn, Endstufen mit Röhren-Methusalems aus den 40er Jahren, Lautsprecherboxen, die keine sind, sondern (hinten offene) Schallwände - wer Augen hat zu sehen und Ohren hat zu hören, dem wird an diesem Samstag das Herz übergehen. Dann nämlich, von 18.30 Uhr bis in die Nacht, will Kühnhöfer sein Friseurgeschäft am Gehrenberg 33 in ein Klangstudio der Extraklasse verwandeln.
»Ich zeige, welches Klangpotential in der guten alten Vinylplatte steckt, und daraus entwickelt sich wohl ein technisches Gespräch«, mutmaßt Kühnhöfer, dem jedoch Sinnlichkeit wichtiger ist als alle Theorie. Er legt »Kraftwerk« auf, und siehe: Die tickt nicht, sie atmet. »Gute Musik, gut produziert, ist auf Vinyl jedem digitalen Tonträger vorzuziehen.«
Viele tausend LPs nennt Kühnhöfer sein eigen; er sammelt, seit sein Vater, ein Reisender in Sachen »Wurlitzer«, ihm die erste Single (von Elvis) schenkte. Frühe Einkäufe vom Taschengeld (»Amon Düül II«, »Yardbirds«) ließen die Leidenschaft für die Melodie keimen, ein Parforceritt durch die Stilrichtungen der 70er und 80er schloss sich an, und heute verzückt ihn die samländische Ausnahmekünstlerin Mari Boine. »Björk? Ein Witz!«
Eisgekühlter Free Jazz kommt Otto Kühnhöfer nicht unter den Tonabnehmer, »ich brauche die warme, gefühlige Harmonie.« Der tote Sound der Transistoren, dessen Leiche rhythmisch in ihrem digitalen Sarg zuckt, wird mittels analoger Technik auferweckt. Die kostet, aber »viel größeren Spaß bereitet es mir, so lange zu tüfteln, bis das imaginierte Klangerlebnis Wirklichkeit geworden ist.«
Die Ehefrau hebt amüsiert die Augenbraue, Sohn Carlo (8) spielt mit Strategiefiguren. Otto Kühnhöfer aber lötet seine kupferne Endstufe. »Am Samstag führe ich ein Gerät vor, das nach einhelligem Urteil der Fachleute gar nicht funktionieren darf.«
Spricht's und beschallt sein Heim mit Tönen, die keines Sterblichen Ohr je vernommen.

Artikel vom 17.05.2006