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20 Verletzte durch Wühlmaus-Gift

Feuerwehrleute, Polizei und Anwohner zur 72-stündigen Beobachtung auf Intensivstation

Von Stefanie Westing und
Peter Monke (Foto)
Brackwede-Holtkamp (WB). Nach einem zunächst als Kellerbrand gemeldeten Einsatz sind gestern in Holtkamp insgesamt 20 Feuerwehrleute, Polizeibeamte und Hausbewohner auf die Intensivstationen verschiedener Krankenhäuser gebracht worden. Sie hatten Phosphorwasserstoff, ein äußerst giftiges Gas, eingeatmet.

Bereits am Abend zuvor hatte ein Anwohner an seinem Haus an der Holtkampstraße einen üblen Geruch wahrgenommen, diesen aber nicht weiter beachtet. Als er gestern Morgen seinen Sohn zur Schule bringen wollte, sah er Funkenflug und kleinere Rauchschwaden, die sich bei seinen Löschversuchen verstärkten. Um kurz nach 8 Uhr schließlich rief er die Feuerwehr.
Als die Mitarbeiter der Wache Süd sowie die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Ummeln eintrafen, seien blaue Flammen im Kellerschacht emporgeschlagen, sagte Rainer Kleibrink, erster stellvertretender Leiter der Berufsfeuerwehr Bielefeld. Seine Kollegen stellten einen knoblauchartigen Geruch fest, bekämpften den Brand und nahmen eine Bodenprobe aus einem Beet. Diese identifizierte Kleibrink, selbst Chemiker, schnell als Phosphorwasserstoff. Entstanden war das Gas durch im Kellerschacht ausgelegtes Wühlmaus-Vernichtungsmittel, das bereits durch Luftzufuhr und Luftfeuchtigkeit reagiert.
»Nach Rücksprache mit dem Leitenden Notarzt und dem Giftnotruf in Berlin wurde uns geraten, alle, die das Gas eingeatmet hatten, zur Beobachtung ins Krankenhaus zu bringen«, erklärte Kleibrink. Dort sollen alle Betroffenen - 13 Feuerwehrleute, zwei Polizeibeamte und fünf Anwohner, darunter drei Kinder - 72 Stunden lang auf der Intensivstation beobachtet werden. Gestern Nachmittag ging es allen Patienten, die auf verschiedene Krankenhäuser verteilt wurden, gut. Keiner der Betroffenen zeigte Krankheitssymptome.
»Ich fühle mich nicht anders als vorher«, sagte Einsatzleiter Ulrich Dreiwes, der auf der Intensivstation des Klinikums Rosenhöhe unter Beobachtung steht, im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT. »Für uns war nicht erkennbar, dass das Zeug giftig ist. Wir haben es aus dem Kellerschacht in einen Eimer gekratzt und mit Wasser gespült.« Wie seine Kollegen auch ist er an ein EKG und andere Überwachungsmaschinen angeschlossen, die ein 72-stündiges lückenloses Beobachtungsbild erstellen, um Folgen wie zum Beispiel einem Lungenödem vorzubeugen. Denn Phosphorwasserstoff gilt als ein Gift, das - besonders in größeren Konzentrationen - die lebenswichtigen Zentren, vor allem Atmung und Gefäße, lähmen, aber auch Lunge, Leber und Niere schwer schädigen kann. Dreiwes hofft, dass er und die 19 weiteren Betroffenen die Krankenhäuser am Samstag ohne Befund verlassen können.
Unterdessen waren nach dem Zwischenfall an der Holtkampstraße nicht nur Feuerwehrleute im Einsatz, die das Wühlmaus-Vernichtungsmittel endgültig entsorgten und den Kellerschacht säuberten, sondern auch die Umweltermittler der Kriminalpolizei. Denn laut bundesweiter Chemikalienverbotsverordnung dürfen Privatleute diejenigen Mittel zur Bekämpfung von Schädlingen, die Phosphorwasserstoff entwickeln, nur in geringen Mengen und im Freien anwenden. »Außerdem muss durch den Verkäufer eine Beratung erfolgen«, erklärte Dietmar Schlüter von der Pressestelle der Stadt Bielefeld. Ergebnisse ihrer Untersuchungen konnten die Umweltermittler gestern Abend noch nicht mitteilen.
Zu einem kurzfristigen Engpass war es übrigens an der Feuerwache Süd gekommen, weil plötzlich so viele Kameraden ausfielen. »Die Einsatzbereitschaft war aber jederzeit gewährleistet«, versicherte Rainer Kleibrink. Personal, das an der Hauptwache im Einsatz war, machte sich auf den Weg zur Wache Süd, und an der Hauptwache sprangen Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr ein.

Artikel vom 18.05.2006