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Wahl-Watsche für Naiven

Theo Zwanziger rettet Eberhard Gienger vor Abgang

Frankfurt/Main (WB/o.k.). Seine Hände hatte er wie zum Gebet gefaltet. Als das Ergebnis bekannt gegeben wurde, atmete er ganz tief durch: Eberhard Gienger hat es geschafft - mit dem schlechtesten Ergebnis aller Gewählten.

Der Multi-Funktionär ist jetzt auch Vizepräsident Leistungssport im DOSB. »Mit 63 Prozent der Stimmen kann ich gut leben. Wenn ich in meinem Wahlkreis einmal so viel kriegen würde, wäre ich überglücklich«, gab der CDU-Bundestagsabgeordnete zu. Der 54-Jährige wackelte - aber er stand dann doch noch. 125 Gegenstimmen sind zwar kein gutes Argument für die Schlüsselposition, doch 249 Ja-Stimmen reichten bei der geheimen Wahl im Saal »Harmonie«. Der Wunschkandidat des DOSB-Gründungspräsidenten hatte gewonnen, die des scheidenden DSB-Chef Manfred von Richthofen, der die Vor-Schwimmerin Christa Thiel favorisiert hatte, angestachelte Opposition hatte verloren.
Gienger: »Das Ganze war für mich wie mein erster Dreifachsalto, den ich in meiner aktiven Zeit als Turner übrigens nie gestanden habe. Einmal bin ich nach einer Zweidreiviertel-Drehung in der Schnipselgrube gelandet.« Diesmal in einem Präsidium.
Dass der Familien-Vater im Stab des neuen DOSB-Chefs Bach zum potentiellen Fallobst wurde, musste sich Gienger selber zuschreiben. Mit naiven Äußerungen zum Thema Doping in einem Interview der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« hatte der Hobby-Fallschirmspringer die Opposition erst richtig auf den Plan gerufen. Da räumte er nicht nur die zeitweilige Einnahme von Anabolika während seiner Laufbahn ein. Mit seiner Rechtfertigung, Anabolika seien 1976 zwar im Wettkampf, jedoch nicht im Training verboten gewesen, begab er sich in eine gefährliche Grenzwert-Diskussion. Auch, dass Anabolika im Turnen gänzlich ohne Wirkung seien, verschreckte nicht nur Experten, lässt diese Äußerung doch auf gefährliche Unkenntnis oder Verdrängung schließen. Ohne die engagiert-emotionale Rettungs-Rede seines »Paten«, des DFB-Vize und Findungskommissions-Vorsitzenden Theo Zwanziger, hätte es wohl am Samstag nicht gereicht.
Bei Gesprächen in kleiner Runde hatte sich in der Nacht zuvor die Opposition formiert. Vor allem von Richthofen zündelte, doch der Brand des DSB-Chefs verbrannte Bachs Kandidaten nicht.

Artikel vom 22.05.2006