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Sport gibt sich staatstragend

Thomas Bach führt den Deutschen Olympischen Sportbund an

Von Oliver Kreth
Frankfurt/Main (WB). Jetzt ist der der Chef von 27 Millionen Sportlern in Deutschland: Thomas Bach wurde am Samstag zum neuen Boss des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gewählt.

Die Nachkriegs-Neuordnung des deutschen Sports wurde im Kongress-Zentrum vollzogen und in der Paulskirche gefeiert. Die Zahl der Paten groß und wichtig: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Altbundespräsident und Sportabzeichen-Fan Richard von Weizsäcker und Ober-Olympionike Jacques Rogge geben sich die Ehre.
Der Deutsche Sportbund (DSB) und das Nationale Olympische Komitee (NOK) existieren damit seit diesem Wochenende nicht mehr, denn - so Bach bei deren Grabrede: »Der deutsche Sport will mit einer Stimme sprechen und sich damit Gehör und besseres Verständnis verschaffen.« Und dann wurde es richtig staatstragend. Er wolle »die Werte des Sports deutlicher artikulieren und seinen gesellschaftspolitischen Wert steigern. Die gesellschaftspolitische Bedeutung soll seinem gesellschaftspolitischen Wert entsprechen«, sagte der IOC-Vizepräsident in seinen Ausführungen, in denen er 40 Minuten lang seine Grundsätze darlegte. Zuvor war er mit 82 Prozent Zustimmung (372 Delegierte sagten Ja, 51 Nein) zum ersten DOSB-Präsidenten gewählt worden. »Ich habe Vertrauen in geheimer Abstimmung gesucht, und ich habe es bekommen«, meinte der Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischhofsheim.
Auf die Forderung des 52-Jährigen, es sei »höchste Zeit, dass der Sport in das Grundgesetz aufgenommen werden muss. Er hat es verdient, weil er allen Bürgern dient«, war die Kanzlerin in ihrer Rede allerdings nicht eingegangen. Sie sagte der »großen Koalition aus olympischem und nichtolympischen Sport« (Rogge) lediglich eine Unterstützung zu, »wo wir können«. Ein bisschen klang es auch nach Bewerbungsrede für die Rogge-Nachfolge, als der IOC-Vizepräsident und Fecht-Olympiasieger von 1976 über Wert und Werte des Sports sprach, aus denen der Kampf gegen Fremdenhass, Intoleranz und Gewalt ebenso resultieren müsse wie gegen »Manipulation in jeder Form, sei es Doping oder Korruption«.
Die eigentliche Arbeit für den neuen Sport in Deutschland beginnt aber erst jetzt. So sollen die ersten Schritte der vierjährigen DOSB-Amtsperiode kommende Woche bei einer viertägigen Präsidiumsklausur festgelegt werden. Ende 2006 soll eine Außerordentliche Mitgliederversammlung erste Reformbeschlüsse fassen. Als exekutives Organ sieht Bach ein starkes Direktorium, dessen hauptamtlicher Generaldirektor aber noch gesucht wird.
Doch nicht alle stimmten dem Jubel, Kinder applaudierten den Gewählten in die Paulskirche, uneingeschränkt zu. »Es war ein guter Anfang für das Präsidium bis auf den Start des Vizepräsidenten Leistungssport. Das wird noch den meisten Widerstand geben. Diese Position ist nicht gut besetzt«, sagte der scheidende DSB-Präsident Manfred von Richthofen, der zum DOSB-Ehrenpräsident gewählt wurde.
Der Freiherr nahm sich auch noch andere Freiheiten. Das undemokratische Verfahren stieß nicht nur den medialen Kritikern auf. Von Richthofen fand's unpassend fad: »Einheitslisten hatten wir genug. Demokratie schadet dem Sport nicht.« Auch nicht in Deutschland.

Artikel vom 22.05.2006