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Der Impuls zur fälligen Erneuerung

Rumänien erwartet von dem EU-Beitritt eine Lösung seiner Probleme

Von Kathrin Lauer
Bukarest (dpa). Für die Mehrheit der 21 Millionen Rumänen ist der Beitritt zur Europäischen Union ein historischer Traum. Umfragen signalisierten stets eine Zustimmung von drei Vierteln der Bevölkerung für den Schritt nach Brüssel.

Er gilt als Aufnahme in die zivilisierte Welt, nachdem der 1989 gestürzte Nicolae Ceausescu das Karpatenland durch Nationalkommunismus sogar innerhalb des Ostblocks zum negativen Sonderfall gemacht hatte.
Die wenigsten Rumänen können sich jedoch die wirtschaftlichen Folgen der EU-Integration vorstellen. Am meisten wissen sie über die gebotenen Maßnahmen gegen die Korruption, das Hauptproblem beim Dialog Rumäniens mit der EU. Viele meinen, dass es hier ohne Druck aus Brüssel zu keiner Bewegung gekommen wäre.
Daher gilt die EU als Reformmotor. Einen ersten Schritt hat die sehr engagierte Justizministerin Monica Macovei (47) getan. Sie entpolitisierte den Justizapparat, zu dem auch eine Antikorruptions-Staatsanwaltschaft gehört.
Der EU-Justizkommissar Franco Frattini ist begeistert: »Ein erfolgreicher EU-Beitritt Rumäniens wird zum großen Teil Frau Macovei zu verdanken sein«, sagte er. Doch nun kämpft Macovei um die weiteren Reformen, gelegentlich sogar gegen die eigenen Kabinettskollegen. Es geht um die Änderung der Strafverfolgungsprozeduren, die Transparenz der Privatvermögen von Politikern und um die Parteienfinanzierung.
Im Präsidialsystem Rumäniens nach französischem Vorbild ist die Konkurrenz zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Staatspräsidenten programmiert. Die meisten Rumänen erwarten von der EU Wohlstand, doch Experten bezweifeln, dass diese Hoffnung Wirklichkeit wird. In Rumänien wächst die Wirtschaft seit dem Jahr 2000 vor allem durch ausländische Investoren. Ihre Präsenz hat Inseln des relativen Wohlstands geschaffen. Ein Viertel der Rumänen sind aber laut Umfragen immer noch bitterarm, weitere 40 Prozent kommen gerade noch notdürftig zurecht.
Die rückständige Landwirtschaft in dem agrarisch geprägten Land sowie die kleineren und mittleren Betriebe insgesamt dürften nach dem Beitritt am meisten leiden, sagen Fachleute. Die Nationalbank in Bukarest meint, 60 Prozent dieser Betriebe könnten im Bankrott enden. Im Gegenzug werde die Zahl der Firmen mit ausländischer Beteiligung steigen.
Ob und wann eine solche Entwicklung der verarmten breiten Bevölkerung zugute kommt, bleibt umstritten.

Artikel vom 17.05.2006