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Bulgarien hofft
auf Wohlstand

EU-Beitritt soll Reformen beflügeln

Von Elena Lalowa
Sofia (dpa). Bulgarien sieht nach Jahren der Beitrittsgespräche in der EU den Reformmotor, der den Wechsel von den alten autoritären Strukturen hin zu einer demokratischen Gesellschaft erst möglich macht.
US-Milliardär George Soros setzt auf Entwicklung.
Die fristgerechte EU-Aufnahme werde dem Land mit seinen knapp acht Millionen Einwohnern daher »weitere Impulse« beim Systemwechsel und einen Aufschwung der Wirtschaft bringen, erwartet folgerichtig die Organisation »Offene Gesellschaft« des Milliardärs George Soros.
Eine Verschiebung des Beitritts könne dagegen nur der Mafia und der politischen Korruption nutzen. Damit sprach die »Offene Gesellschaft« den meisten Bulgaren aus der Seele. Denn eine große Mehrheit verspricht sich von der EU »mehr Geld, Ordnung und klare Regeln« sowie eine »Erlösung« von den »korrupten heimischen Politikern«, die das Land während der undurchsichtigen Übergangszeit geplündert hätten.
Die seit Jahren von der EU geforderten Justizreformen wurden in letzter Minute eingeführt. Die Verfassung wurde erst am 30. März geändert. Damit wird die Immunität der Parlamentarier eingeschränkt, um ihre eventuelle Strafverfolgung wegen krimineller Machenschaften zu ermöglichen.
Erst am 29. April trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, zwei Tage später ein wichtiges Reformgesetz. »Wir müssen die Umsetzung der neuen Gesetzgebung nun vorweisen«, brachte Innenminister Rumen Petkow das eigentliche Problem auf den Punkt. »Einen ersten Effekt kann es frühestens in einigen Jahren geben«, meint das »Zentrum zur Erforschung der Demokratie« (ZID) in Sofia. Dies sei ein langer Prozess, zumal die Korruption 2005 wieder auf den hohen Stand der Jahre 1999-2001 gestiegen ist.
»Kein Politiker ist bislang wegen Korruption verurteilt worden«, kritisiert ZID-Projektleiter Russlan Stefanow. Auch in der Mafiaszene lassen Urteile noch auf sich warten. Nach Dutzenden spektakulärer Auftragsmorde konnte am 5. Mai in Sofia ein erster Prozess über drei geplante Anschläge wegen Verfahrensmangels doch nicht beginnen. Die Bürger hoffen auf einen fristgerechten Beitritt ihres Landes. Denn eine negative Entscheidung in Brüssel würde zunächst auch ein Aus für die in Milliardenhöhe zugesagten EU-Gelder bedeuten.
Das Balkanland braucht aber diese Finanzhilfe für seine Modernisierung dringend. Trotz eines Wachstums von fünf Prozent im Jahr lag das Bruttoinlandsprodukt 2005 bei umgerechnet nur 2771 Euro pro Kopf der Bevölkerung.
Vor allem die von den Sozialisten, den früheren Kommunisten, geführte Regierung hofft auf einen Beitritt am 1. Januar 2007. Denn davon hängt ihr politisches Überleben ab. Die große Koalition in Sofia, der noch die Nationale Bewegung (NDSW) des ehemaligen bulgarischen Königs Simeon II. von Sachsen-Coburg und Gotha und die Türkenpartei (DPS) angehören, wurde im August 2005 gebildet, um das Land in die Europäische Union zu führen. Die Nachfolger der früheren Kommunisten, die Bulgarien als treuesten Verbündeten Moskaus Jahrzehnte lang regiert hatten, wollen jetzt die letzte Strecke auf dem Weg nach Europa zurückzulegen.

Artikel vom 17.05.2006