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Mozart-Kugel-Bild
zum Teil relativiert

Amüsanter Konzertabend im Kultur-Treff

Senne (gal). Mozarts etwas anrüchige Bäsle-Briefe in einer Kirche gelesen - wie geht denn das? Manche der zahlreichen Zuhörer im Kultur-Treff der evangelischen Friedensgemeinde werden das überlegt haben.

Nun, es ging. Fanden doch die entsprechenden, uns heute peinlich erscheinenden Passagen in einem wienerisch gefärbten Sprachstil weniger drastisch den Weg in das Ohr der Zuhörer. Dr. Friedemann Kluge aus Berlin verstand es als Rezitator, durch die Auswahl aus 350 Mozartbriefen den literarischen Wert dieser sehr persönlich gehalten Schriftstücke deutlich zu machen.
Wichtige Ereignisse im Leben Mozarts, wie die erste Italienreise oder der Tod der Mutter in Paris, ermöglichen in der persönlichen Schilderung einen tiefen Blick in die Seele des Künstlers. Der mit Hass erfüllte Brief über seine unwürdige Entlassung durch den Erzbischof in Salzburg passt dagegen nicht so recht zum Mozart-Kugel-Bild vieler Menschen.
Auch das Abrutschen in die Fäkalsprache bereitet dem Zuhörer nicht immer ein reines Hörvergnügen. Es gehört jedoch zu Mozarts Charakterbild und seinem Spaß am Umgang mit der Sprache.
Friedemann Kluges Vortragsstil, der manchmal noch etwas markanter hätte sein können, bereitete den Besuchern sichtlich Freude und erzeugte im vom Licht durchfluteten Kirchenraum eine entspannte Atmosphäre.
Passend zu den Zitatstellen hatte Gustav-Adolf Lent am Klavier die musikalischen Beiträge ausgewählt. Neben den Ouvertüren aus »Entführung aus dem Serail« und »Bastien und Bastiennne« waren Kompositionen des sechs- bis achjährigen Mozarts und Variationen zu hören. Dazu kamen das letzte Werk Mozarts, das »Lacrymosa« aus dem Requiem, und zwei gesungene Arien aus »Don Giovanni« und der »Zauberflöte«.
Als Clou des Abends erwies sich der Auftritt des »Käsehändlers Leutgeb« alias Martin Braune, der zusammen mit dem Pianisten den dritten Satz aus dem Hornkonzert Nr. 4 von Wolfgang Amadeus Mozart im geschmeidigen, technisch perfekten Stil auf dem Corno da Cacchia präsentierte.
Mit Blumen und herzlichem Beifall bedankten sich das Publikum und Pfarrer Berthold Schneider für einen amüsanten Konzertabend.
Die nächste Veranstaltung im Rahmen der »Offenen Kirche« ist am Pfingstsonntag eine »Nacht mit Dietrich Bonhoeffer«.

Artikel vom 17.05.2006