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Glaube muss erfahren werden

Bernd Kollmetz ist evangelischer Pfarrer an den Johanniter-Ordenshäusern in Bad Oeynhausen.
Vor kurzem fiel mir ein Buch in die Hand, das der Frage nachging, ob der Mensch Religion braucht. In einer Zeit, in welcher der Mensch angesichts allgemeiner Verunsicherungen mehr nach Sicherheit strebt, anstatt sich an Gewissheiten zu orientieren, scheint der Glaube an Bindekraft zu verlieren. Und darüber täuscht auch keine Umfrage hinweg, wonach das Religiöse in unserer Gesellschaft angeblich an Bedeutung gewinnt.
Moment mal!
Die notwendige Ebene, an welche der Glaube anknüpft, ist die Erfahrung, die ich mit ihm in meinem Leben mache, nicht aber seine Funktion bei der Bewältigung des Alltags. Hans Joas, der Soziologe, stellt daher die eingangs aufgeworfene Frage in eine andere Richtung: »Können wir ohne die Erfahrung leben, die im Glauben, in der Religion ausgesprochen wird?« Der Glaube umschreibt somit nicht etwa eine Technik des Lebens, sondern in ihm ereignet sich Leben. Er ist letztlich Wesensäußerung des Lebens. Oder zugespitzt gesagt: Wir glauben, weil wir leben.

Von der lebensspendenden Kraft des Glaubens hat Jesus in den Begegnungen mit den durch Krankheit und Not angefochtenen Menschen hingewiesen: Dein Glaube hat dir geholfen. Er hat dir den Sinnhorizont des Lebens zu öffnen ermöglicht. Der Glaube ist viel zu kostbar, als dass er zu einer bloßen Technik verkommt.

Übrigens, selbst der schönste vermeintliche Beweis einer bloßen Nützlichkeit des Glaubens und der Religion kann eines nicht erreichen. Er führt nicht zum Glauben und befreit nicht so zum Leben, dass wir fröhlich unseres Weges durch den Alltag ziehen können.
Bernd Kollmetz

Artikel vom 03.07.2006