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Tschö »Poldi« - du warst Kölle

Das Benehmen des Jungstars war beim Abschied aber nicht vorbildlich

Von Hans Peter Tipp
Köln (WB). 84 Minuten sind gespielt - Gänsehautstimmung wie bei einem Rockkonzert. Es steht 2:2 gegen Arminia Bielefeld. Nirgendwo in der 1. Fußball-Bundesliga sorgt das für Entzücken. Nur in Köln.
Niemals geht man so ganz: Lukas Podolski betonte am Samstag sein »kölsches« Herz.Foto: Hörttrich
Hier stehen fast 50 000 Zuschauer auf, recken ihre Fanschals in die Höhe und singen - textlich etwas brachial auf die Hymne »Loch Lomond« der schottischen Kultband Runrig aufgesetzt - aus voller Kehle das Vereinslied: »Mer stonn zo dir, FC Kölle.« Das Team antwortet prompt: 85. Minute, Podolski, 3:2, 86. Helmes, 4:2. Wie im Rhythmus des an Geschwindigkeit zulegenden Liedes.
Es passte aber gut in die Choreographie eines Nachmittags, an dem die Fans ihre Spieler, ihren Verein, ihre Absteiger auf westfälische unvorstellbare Art und Weise feierten. Dass die überflüssige Zurückstufung tief im Inneren doch an den Nerven zehrte, bewiesen trotzige Sprechchöre vor dem Stadion: »Nur ein Jahr - dann sind wir wieder da.«
Einer wird dann aber nicht da sein: Lukas Podolski zelebrierte den Saisonausklang wie einen Abschied für immer. Eine dritte Halbzeit lang schüttelte der Kölsche Jong, der seit der D-Jugend für den Geißbock-Verein kickt, jede Hand, die ihm durch das Absperrgitter entgegengestreckt wurde. Dass dem 20-Jährigen die Situation doch nahe ging, zeigte sein Auftreten während des Spiels. Da benahm er sich wie ein kleiner Junge: in Ballnähe exzellent, aber kaum war das Spielgerät außer Reichweite, kam der Flegel durch. In der 21. Minute, nach einem Foul an Pinto, schien Podolski sogar eine Handgemenge mit dem Gefoulten und dessen »Beschützer«, dem hinzugeeilten Bernd Korzynietz, nicht abgeneigt zu sein. Völlig grundlos keifte der Nationalspieler auch noch Richtung Bielefelder Bank: »Halt' die Fresse, da draußen.« Zehn Minuten später rangelte er mit Heiko Westermann vor einem Eckball extrem körperbetont um die beste Position, und in der 70. Minute legte sich der Jung-Prinz noch mit Michael Fink an. Die gelbe Karte wegen »unkeuschen Jubelns« (Podolski zog das Trikot aus) nach dem 3:2 hätte - so gesehen - auch eine rote sein können, wenn der schwache Schiedsrichter Drees zuvor nicht den Nationalspieler-Bonus hätte walten lassen.
Fazit eines denkwürdigen Abschieds in Köln: Die Bayern dürfen sich freuen, einen der wenigen hochtalentierten deutschen Kicker schon bald in ihren Reihen zu wissen. Sie wären aber gut beraten, dem jungen Mann erst einmal einen Schnellkursus in Sachen Benehmen zu erteilen, damit das nicht ständig Glückssache bleibt.

Artikel vom 15.05.2006