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Ein unermüdlicher »Weltverbesserer«

Schauspieler, Moderator, Friedensaktivist und Entwicklungshelfer Dietmar Schönherr wird 80

Wien (dpa). Er war Theaterschauspieler und beliebter Fernsehmoderator, Friedensaktivist und Entwicklungshelfer, Mahner und moralisches Gewissen. Dietmar Schönherr hat sein Publikum immer wieder mit neuen Seiten überrascht und auch Konflikte nicht gescheut. Am kommenden Mittwoch wird Schönherr 80 Jahre alt.
Ernesto Cardenal (l) und Dietmar Schönherr gemeinsam in Nicaragua, einem Land, das dem Jubliar sehr viel bedeutet.
Nur eines liegt ihm nicht: »Ich bin kein großer Feierer«, sagt er. »Ich hoffe, dass die anderen mich durch diesen Tag tragen, die können sehr gut feiern.«
Die anderen, das sind in diesem Fall Freunde und Bekannte in Nicaragua. Das ärmste Land Mittelamerikas ist dem vielseitigen Aktivisten zur zweiten Heimat geworden, seitdem Schönherr dort in den 80er Jahren begonnen hat, sich für Entwicklungspolitik stark zu machen.
Die Provinzstadt Granada am Nicaraguasee hat ihm sogar den Ehrenbürgertitel »hijo predilecto« verliehen, der dem Schauspieler sehr viel bedeutet. Auch deshalb wird Schönherr dort seinen runden Geburtstag verbringen.
Der Lebensweg des ruhig und souverän wirkenden Herrn mit dem schlohweißen Haar und dem markanten Bart verlief ungewöhnlich. Er wurde am 17. Mai 1926 in Innsbruck geboren - als Dietmar Edler von Schönleiten, Sohn eines Generals, der heimlich Antikriegsgedichte schrieb. Aufgewachsen ist Schönherr in Tirol, bis die Familie nach dem »Anschluss« Österreichs an Hitler-Deutschland 1938 nach Potsdam ging.
Bei Probeaufnahmen fiel der Abiturient Schönherr dem Filmregisseur Alfred Weidemann auf - der Beginn einer großen Karriere. Der talentierte junge Darsteller begann eine Schauspielausbildung und war in dem UFA-Film »Junge Adler« erstmals prominent auf der Leinwand zu sehen. Dass der Film damals die Kriegsbegeisterung schüren sollte, habe er nicht früh genug erkannt, gab Schönherr später zu. Er selbst wurde 1944 noch zum Kriegsdienst eingezogen, desertierte im Frühjahr 1945 und geriet in Gefangenschaft.
Zurück in Österreich, arbeitete Schönherr als Sprecher, Dramaturg und Autor beim österreichischen Rundfunk. Mit dem Streifen »Rosenmontag« (1955) wurde er populär, es folgten 70 Filme wie »Der liebe Augustin« (1959) oder »Schachnovelle« (1960) bis »Bin ich schön?« und »Der Schrei des Schmetterlings«, beide 1998. Auch in Fernsehrollen war Schönherr häufig zu sehen, in Krimis wie »Ein Fall für zwei« und »Tatort« ebenso wie als Commander McLane in der legendären Science-Fiction-Serie »Raumschiff Orion«.
Besonders beliebt war seine spontane Art als Moderator in Quiz- und Spielsendungen (»Wünsch Dir was«). Er prägte den Beginn der Fernseh-Talkshows mit »Je später der Abend«. Der vielseitige Darsteller, der seine sonore Stimme als Synchronsprecher für James Dean und Stephen McQueen einsetzte, blieb aber stets auch dem Theater treu. Er stand unter anderem in Salzburg, Bonn, Berlin und Zürich auf der Bühne und war Mitbegründer der Tiroler Volksschauspiele in Telfs.
Großes Aufsehen erregte der überzeugte Pazifist in den 80er Jahren, als er sich leidenschaftlich für die Friedensbewegung engagierte. Er war unter den prominenten Demonstranten gegen den US-Stützpunkt Mutlangen und bezeichnete den damaligen republikanischen US-Präsidenten Ronald Reagan öffentlich als »Verbrecher«.
Seine Prominenz setzt Schönherr seit jeher für Entwicklungspolitik ein und unterstützt seit 1985 in Nicaragua verschiedene Solidaritätsprojekte wie die Stiftung »Casa de los Tres Mundos« (Haus der drei Welten), die er gemeinsam mit dem Dichter, Priester und einstigem Kulturminister Ernesto Cardenal gründete. Mit einem besonderen Schwerpunkt auf Förderung und Ausbildung im Bereich Musik und Kunst verbindet Schönherr auch in dem Programm »Pan y Arte« (Brot und Kunst) Engagement und Anliegen.
Dass er oft als »Weltverbesserer« bezeichnet und mitunter belächelt wird, stört den humorvollen Aktivisten nicht: »Ich halte es immer noch für nötig, die Welt zu verbessern«, sagt er zu Skeptikern. Schönherr verbringt viel Zeit in Nicaragua und tritt oft mit Cardenal auf.
Heute lebt Schönherr auf Mallorca mit seiner zweiten Frau, der dänischen Schauspielerin und Sängerin Vivi Bach.

Artikel vom 13.05.2006