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Justiz jagt die
Fußball-Mafia

Meister Juventus droht der Absturz

Rom (dpa). Im größten Skandal in der Geschichte des italienischen Fußballs steht Juventus Turin trotz seines 29. Titelgewinns vor dem Absturz in die Zweitklassigkeit. Der Jubel über den entscheidenden 2:0-Sieg gegen Reggina Calcio blieb dem Rekordmeister (91 Punkte) im Halse stecken.

Der im Titelduell trotz seines 2:1-Sieges gegen den AS Rom knapp geschlagene AC Mailand (88) erkennt Juve nicht als neuen Meister an. »Wir fordern die zwei Meistertitel, die uns zustehen«, erklärte Milan-Besitzer Silvio Berlusconi gestern: »Wir sind es leid, diese Ungerechtigkeiten hinnehmen zu müssen.«
Unmittelbar nach dem Titelgewinn kündigte der mutmaßliche Strippenzieher der Spielmanipulationen, Juve Manager Luciano Moggi, seinen Rücktritt und den Rückzug vom Fußball an. »Ab morgen bin ich nicht mehr Manager von Juventus und seit heute Abend ist Fußball nicht länger meine Welt«, sagte Moggi und kündigte an: »Ab jetzt denke ich nur noch daran, mich gegen all die schmutzigen Sachen, die über mich gesagt wurden, zu verteidigen.«
Aberkennung der letzten beiden Meistertitel, Zwangsabstieg und Ausschluss aus der Champions League - das immer realistischer werdende Horror-Szenario würde Juve nach Schätzungen von Finanzexperten mehr als 300 Millionen Euro kosten. In Turin geht eine Ära zu Ende, der einst so mächtige Club steht vor einer Zerreißprobe. Trainer Fabio Capello scheint als einer der ersten schon auf dem Absprung zu Inter Mailand.
Während Juve nur gequält jubelte, setzten die Staatsanwälte am Wochenende mit Verhören und Durchsuchungen die Jagd auf Italiens Fußball-Mafia fort. Schiedsrichter Massimo De Santis wurde vom italienischen Fußballverband (FIGC) für die WM schon zurückgezogen, während Nationaltorhüter Gianluigi Buffon weiter um sein WM-Ticket bangt.
»Ja, ich habe auf ausländische Spiele gewettet«, gab der Juve- Keeper gegenüber der Staatsanwaltschaft Turin zu. Seit dem Wettverbot im Herbst 2005 habe er aber nicht mehr gespielt. Stimmt dies, würde er mit einem blauen Auge davonkommen und wohl auch mit nach Deutschland fahren: »Ich will unbedingt zur WM.«
Für die Drahtzieher der Liga-Manipulation zu Gunsten von Juve ziehen die fünf Staatsanwaltschaften die Schlinge dagegen immer enger zu. Die Fahnder sprechen vom »System Moggi«, Ex-Präsident des FC Bologna, Giuseppe Gazzoni, redet offen von »Mafia«.

Artikel vom 15.05.2006