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Odonkor soll »Klinsmännern« Weltmeister-Flügel verleihen

22-jähriger Wirbelwind aus Bünde völlig überraschend nominiert

Von Sebastian Picht
und Stephan Arend
Bünde/Steinhagen (WB). Die Koffer hatte David Odonkor in seiner zweiten Heimat Steinhagen ohnehin schon gepackt. Doch das Reiseziel hat sich abrupt geändert: Deutschland statt Portugal. Weltmeisterschaft statt U 21-EM. Der 22-Jährige wurde von Bundestrainer Jürgen Klinsmann für die WM im eigenen Land nominiert.

Der in Bünde (Kreis Herford) aufgewachsene Sohn eines Ghanaen und einer Deutschen freut sich unbändig über die Nominierung: »Das ist für mich eine große Ehre und ein riesiger Ansporn. Ich denke, dass der Bundestrainer in der abgelaufenen Saison sehr aufmerksam das Auftreten der jungen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs beim BVB registriert hat und dass es mir deshalb noch gelungen ist, in letzter Minute auf den WM-Zug aufzuspringen.«
Mutter Ute, die von der Nominierung ihres Sohnes im Fernsehen sah, sagte: »Ich saß auf dem Sofa, bin aufgesprungen und habe gejubelt.« Anschließend wollte die Mutter ihrem Nachwuchs gratulieren -Êdoch so einfach war er nicht ans Handy zu bekommen. Zuletzt hatte sie ihren Sohn am Sonntag gesehen - er war nach Bünde gekommen, um Ute Odonkor ein Geschenk zum Muttertag zu überbringen. Von der WM-Berufung soll Odonkor, wie das WESTFALEN-BLATT erfahren hat, bereits am Samstag gewusst haben.
Der pfeilschnelle Rechtsaußen verbringt die Freizeit zumeist zusammen mit seiner Freundin Suzan Barka in Steinhagen. Dort feierte Odonkor gestern auch seine WM-Nominierung im Kreise der Familie. Suzan Barka begrüßte ihren Liebling mit einem Kuss: »Ich bin stolz auf David und freue mich riesig.« Aus dem Häuschen war auch der elfjährige Roberto Barka. Sein berühmter Onkel in spé begleitet den Nachwuchskicker manchmal zu den D-Jugendspielen der Spvg. Steinhagen und hat für ihn so manchen Tipp parat.
Odonkor hat sich in dieser Saison ins Rampenlicht gespielt. Vor der Serie in Dortmund fast aussortiert, nun Hoffnungsträger einer ganzen Fußball-Nation. »Er kann eine Geheimwaffe sein, weil er eine enorme Schnelligkeit hat«, meint Nationalmannschafts-Kapitän Michael Ballack.
Absoluter Durchsetzungswille - das berichten alle alten Weggefährten Odonkors - habe ihn schon immer ausgezeichnet. Und genau dieser Wille hat »Odo« in letzter Minute das WM-Ticket gebracht. Jürgen Klinsmanns Wege scheinen unergründlich, der von David Odonkor führte immer steil nach oben. Seine Laufbahn begann bei der JSG Holsen-Ahle (Bünde), bevor er zum Bünder SV wechselte. Doch der Club in der Zigarrenstadt war nur eine Zwischenstation. Mit 14 Jahren wechselte er in die Jugendabteilung von Borussia Dortmund. Sein Bundesliga-Debüt gab er 2002 im Spiel gegen den Kult-Club St. Pauli -Êdas war nur der vorläufige Höhepunkt einer steilen Karriere. »Für uns ist das eine Bestätigung unserer Arbeit. Es zeigt, dass es sich lohnen kann, auf junge Spieler zu setzen«, sagte BVB-Sportmanager Michael Zorc. Auch Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke begrüßte den Schritt: »Das ist ein schlauer Schachzug. Odonkor ist mit seiner Schnelligkeit ein Trumpf, der stechen kann, wenn es mal nicht so läuft.«
Ein rasender Rechtsaußen soll dem Angriffsspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft Flügel verleihen. Mit dem Anruf von Bundestrainer Jürgen Klinsmann wurde für den Borussen David Odonkor ein Fußball-Märchen wahr. Zusammen mit Michael Zorc verfolgte der staunende Jung-Profi die Nominierung des deutschen WM-Kaders im TV. Ungeachtet der bedenklichen Trefferquote des Angreifers, der in dieser Saison bei 33 Einsätzen nur ein Tor erzielte, hält der Bundestrainer große Stücke auf Odonkor: »Er bringt mit, was wir dringend benötigen, Schnelligkeit und Überraschungsmomente.«
Spätestens nach der Verletzung von Sebastian Deisler geriet Odonkor als Alternative für die rechte Seite in den Blickpunkt. Schon damals hatte der DFB-Trainerstab mit seiner Nominierung geliebäugelt, wollte ihm aber den Rummel ersparen, etwa beim Länderspiel im März gegen die USA (4:1), das ausgerechnet in Dortmund stattfand. Sein Länderspiel-Debüt dürfte er nun am 27. Mai in Freiburg gegen Luxemburg feiern.

Artikel vom 16.05.2006