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»Der Sonntag bietet Gelegenheit, endlich mal wieder einen Gottesdienst zu erleben.«

Leitartikel
Kirchen vor Abriss retten

Bei Gott ist
kein Ding
unmöglich


Von Ernst-Wilhelm Pape
»Wir können Gott mit dem Verstande suchen, aber finden können wir ihn nur mit dem Herzen.«
Dieses Zitat des ungarischen Literaten Josef von Eötvös (1801 - 1871) könnte helfen, Lösungen für den Erhalt von Kirchen zu finden. Denn: Die Institution Kirche wie auch Kirchengebäude sind Hüllen, die immer wieder mit Inhalten gefüllt werden müssen. Und diese Inhalte kommen vom Herzen, vom Glauben her.
Menschen geben den Glauben weiter, Kirchen dienen ihnen als Versammlungsort, als Orte der Stille und der Besinnung, aber auch als Orte der Freude und Trauer. Kirchen bieten Schutz, vermitteln Geborgenheit und sind somit unverzichtbar. In den Kirchen wird den Menschen das Wort Gottes verkündet, wird gepredigt, nach den Inhalten der Bibel, nach dem christlichen Glauben sein Leben gestalten.
Niemand kann aber bestreiten, dass in Zukunft trotz dieser Aufgaben alle katholischen und evangelischen Kirchengebäude erhalten werden können. Die Angabe, wie viele Kirchen aufgrund einer finanziellen Notlage geschlossen, verkauft oder abgerissen werden müssen, schwanken zwischen drei und 50 Prozent. Allein diese Bandbreite gibt zu denken. Sie zeigt, dass es an einer ehrlichen Bestandsaufnahme fehlt. Die Probleme werden einfach nur verdrängt.
Damit sollte jetzt Schluss sein. Immobilienexperten der Dresdner Bank gehen bereits davon aus, dass jede zweite Kirche gefährdet ist. Sie sehen das Thema lediglich von der wirtschaftlichen Seite. Die Kirchen sind neben der Deutschen Bahn noch einer der größten Immobilienbesitzer. Deshalb müssten sie die Kirche Gotteshäuser verkaufen, ebenso wie die Bahn Bahnhöfe verkauft. Auch die Kirche müsse Dienstleistungen einschränken, sich von unrentablen Geschäftszweigen trennen und Personal abbauen, fordern die Unternehmensberater.
Hier warnen und mahnen mit Recht nicht nur Kirchenkenner wie der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt. Was produziert die Kirche, wie können ihre Dienstleistungen gemessen werden? Zuwendung, Fürsorge, Feier, Anbetung, Trost und Sinngebung. Diese »Geschäftsfelder« können um der Menschen willen nicht verkleinert werden. Denn: »Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte«, heißt es in Psalm 103.
Wenn der Körper Kirche immer kleiner wird, muss der Mantel, angepasst werden. Doch wer den Mantel wie schneidert, das ist das eigentlich heikle Thema.
Niemand kann sagen, wie sich Religiosität entwickelt. Daher müssen Kirchen und ihre Gebäude verteidigt werden. Sie stehen vielfach auch nur leer, weil keiner sie mehr besuchen will. Der heutige Sonntag könnte ein Anlass sein, einmal wieder Kirche in Form eines Gottesdienstes zu erleben. Man muss nur mutig vorangehen und sich ein Bibelzitat aus dem Lukas-Evangelium vergegenwärtigen: »Bei Gott ist kein Ding unmöglich.«

Artikel vom 13.05.2006