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Kurt Beck

»In der Zirkuskuppel turnen, nur
damit die Leute klatschen, das werde ich nicht tun.«.

Leitartikel
Der neue SPD-Chef

Wird nun »Käpt'n Beck« es richten?


Von Rolf Dressler
Natürlich neigen nicht wenige in unseren längst nicht mehr ganz so großen »großen« Volksparteien auch heute noch dazu, in die Op- position verwiesene, kleinere Konkurrenten abschätzig über die Schulter anzusehen. Zumal in Zeiten wie den gegenwärtigen, wenn CDU/CSU und SPD mit sattem parlamentarischen Stim- menüberhang regieren.
Gleichwohl aber sollten sich Christdemokraten wie Sozialdemokraten nicht verheben. Denn je weniger sie für die Bürger an Nutzbringendem zuwegebringen, desto mehr können vor allem auch die Freien Demokraten darauf rechnen, wieder stärker als dritte politische Kraft im Lande wahrgenommen und - ernstgenommen zu werden.
Nun also soll der Rheinland-Pfälzer Kurt Beck es richten auf dem schlingernden Talfahrt-Dampfer SPD. Schon in naher Zukunft will er seine Farben wieder zur bestimmenden Formation in Deutschland machen. Klar, dass er das Traumziel mächtig hoch steckt. Täte er es nicht, hätte er seine Parteichef-Zukunft womöglich bereits mit seinem Amtsantritt verwirkt.
Der traditionell hohe Verschleiß an verflossenen, vertriebenen und verärgerten SPD-Vorsitzenden ist allemal Warnung genug. Und die Erinnerung hält sich hartnäckig in den Reihen der Genossen. Entgegen aller nachträglichen Verklärung warf in den turbulenten 1970er Jahren selbst der legendäre Willy Brandt »den Bettel« nicht zuletzt deshalb hin, weil die Partei ihm den letzten Nerv geraubt hat- te. Keine Gnade kannte die SPD unter ihrem »Zuchtmeister« Herbert Wehner sodann auch mit Brandts sehr respektablem Nachfolger: Als Parteivorsitzender wurde Helmut Schmidt einzig deshalb schmählich aus dem Amt gekegelt, weil SPD-Spitze und Basis seine nüchtern praxisorientierte Art zu regieren schließlich total gegen den Strich ging.
Späterhin dann zog Rudolf Scharping völlig überraschend den Kürzeren gegen den Napoleon-De- magogen Oskar Lafontaine. An einem ähnlichen Schicksal schrammte der (eigentlich nie wirklich verehrte oder gar geliebte) Gerhard Schröder nur knapp vorbei. Und was ist geblieben von dem Parteivorsitzenden Franz Müntefering? Und von dem unglücklichen Matthias Platzeck? Kaum hatte der Sauerländer der Partei das Gefühl vermittelt, er werde ihr bewährte »preußische« Tugenden zurückgeben können, stieg er wieder aus und brockte der SPD damit vielerlei neue Unbill ein.
Kurt Beck bekundete vor dem Parteivolk, er wolle straff führen und auf Mannschaftsgeist und Mannschaftsarbeit bauen. Offen diskutieren werde er, »die Gremien einbeziehen« und dann »Entscheidungen treffen, die nachvollziehbar sind«. Dann könne er »es schaffen«. Ganz ähnlich, zu ähnlich vielleicht, hatte es dermaleinst auch schon aus dem Munde vieler Vorgänger geklungen.
Das muss aber kein Makel sein zumal für einen Mann, der zufrieden wäre mit sich und der Welt, wenn er sichtbar für die 95 Pro- zent lebens- und liebenswerter Provinz in Deutschland stehe.

Artikel vom 15.05.2006