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Prof. Dr. Alfred Pühler entschlüsselte das größte bakterielle Genom.

Bakterium stellt
Krebsmittel her

Erbinformation an Uni entschlüsselt

Bielefeld (sas). Sorangium cellulosum ist ein besonderes Bakterium: Es produziert einen Wirkstoff, der Zellwachstum hemmt und in der Krebstherapie eingesetzt werden soll. Das Genom - die komplette Erbinformation - von Sorangium hat der Bielefelder Genetiker Prof. Dr. Alfred Pühler entschlüsselt.

Damit hat Pühler quasi einen Weltrekord aufgestellt. Denn derzeit ist nirgends ein Bakterium sequenziert worden, das ein größeres Genom hat. 13 Millionen Basenpaare hat Sorangium cellulosum, »das entspricht fast 10 000 Genen«, erklärt Pühler. Der Mensch hat etwa 25 000 bis 30 000 Gene.
Das Genom von Sorangium zu kennen, ist ein erster Schritt zum Verständnis, wie das Bakterium den begehrten, das Tumorwachstum hemmenden Wirkstoff Epothilon herstellt. »Danach kann man sich vorstellen, dass die Zelle dazu gebracht werden kann, Epothilon in größerem Umfang herzustellen. Ebenso könnte man eingreifen, um durch genetische Veränderungen den Wirkstoff noch zu verbessern.«
Epothilon soll als Ersatz für Taxol (gewonnen aus der Eibe, Taxus baccatus) dienen. Es hat den Vorteil, dass es die 30-fache Wirkung hat. »Da Tumorzellen exorbitant wachsen, sind sie allen anderen Körperzellen überlegen und überwuchern sie. Epothilon und Taxol stören die Zellteilung und töten die Tumorzellen ab«, erklärt Pühler. Langsam wachsende Körperzellen erholen sich dagegen wieder, Zellen, die sich nicht mehr teilen, werden überhaupt nicht beeinträchtigt. In klinischen Tests wird Epothilon bereits erprobt.
Seit fünf Jahren wird im Kompetenznetzwerk »Genomforschung an Bakterien für den Umweltschutz, die Landwirtschaft und die Biotechnologie« an der Uni Bielefeld an Sorangium cellulosum gearbeitet, einer der Partner Pühlers ist Rolf Müller von der Uni Saarbrücken.
Interessant ist Sorangium cellulosum auch, weil es zu den Myxobakterien gehört, eine besondere Art von Einzellern, die »pseudo-sozial« sind: »Irgendwann entscheiden einzelne Zellen quasi, sich zusammenzuschließen und bilden eine Art Gewebe und einen gemeinsamen Fruchtkörper, der Sporen bildet.« Das sei, meint Pühler, quasi eine Form der Intelligenz.
»Die einzelene Zelle bildet einen Stoff, scheidet ihn aus und misst zugleich die Konzentration dieses Stoffes in ihrer Umgebung. Ist sie hoch, weiß sie, dass genügend andere Zellen da sind.« Dann, ergänzt der Biologe, schlagen die Bakterien quasi zu und lösen zum Beispiel eine Infektion aus. Wer sich an Schätzings »Der Schwarm« erinnert fühlt, liegt nicht so falsch.

Artikel vom 12.05.2006