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Blühende Stadtlandschaft

Magdeburg: lohnendes Städtereiseziel mit Kultur und Natur

Von Thomas Albertsen
Auferstanden aus Ruinen - auf welche Metropole der ehemaligen DDR würde dies wohl besser zutreffen als auf Magdeburg?

Vor 15 Jahren eine der hässlichsten und heruntergekommensten Hinterlassenschaften von mehr als einem halben Jahrhundert Nazi- und SED-Diktatur inklusive Zweitem Weltkrieg, präsentiert sich die Stadt an der Elbe heute als äußerst gelungenes Beispiel, wie man die Reste einer offiziell 1200-jährigen Stadtgeschichte effizient mit Neubauten und moderner Infrastruktur zusammengeführt hat. Mehr noch: Magdeburg ist ebenso nuancenreich wie stimmungsvoll und hat sich vom Standort weltweit bedeutsamer Schwerindustrie zu einem lohnenswerten Städtereiseziel entwickelt. Wenige Überreste der Gründerzeit wie in der Hegelstraße erstrahlen wieder in repräsentativem Glanz, die barocke Landtagsfassade wirkt freundlich und nicht protzig, die renovierte, denkmalgeschützte stalinistische Zuckerbäckerarchitektur setzt ebenso Glanzlichter wie das unter ganz anderen Vorzeichen entstandene Hundertwasser-Haus. Und auch die Uniformität der schrecklichen Plattenbau-Siedlungen wurde weitgehend aufgehoben.
Spaziert man durch den Rotehornpark am anderen Elbufer, so ist Magdeburgs Skyline mit den vielen Kirchen nicht mehr nur Fassade, sondern Aushängeschild einer liebenswerten Stadt. Wer per Zug anreist und seinen Koffer in den schmucken Zimmern des Intercity-Hotels am Bahnhof deponiert, kann dann gleich durch eine helle, freundliche Einkaufspassage zum Bummel durch die Stadt starten. Wenn man bedenkt, dass die Briten am 16. Januar 1945 wohlgemerkt die Innenstadt, nicht die außerhalb liegenden Rüstungsbetriebe, angriffen und in nur 23 Minuten fast die komplette City in Schutt und Asche legten, anschließend eine Stadt der Schwerindustrie nach sozialistischen Gesichtspunkten entstand, so erlebt man nun sicherlich eine blühende Stadtlandschaft ganz im Sinne des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Man darf die Bemerkung der Einwohner (»Ist schon nicht schlecht!«) nicht allzu wörtlich nehmen: Mit diesem Satz pflegen die Magdeburger höchste Anerkennung auszusprechen.
805 wurde Magdeburg erstmals im Diedenhofer Kapitular Karls des Großen erwähnt. Kaiser Otto stiftete Kloster und Dom, Fürst Leopold I von Anhalt-Dessau setzt barocke Akzente und macht Magdeburg zur stärksten Preußenfestung.
Natürlich wird in der Stadt auch an Otto von Guericke erinnert, der natürlich mehr war als nur der Erfinder der Luftpumpe und sich aus lokaler Sicht auch nicht auf den Halbkugelversuch zum Nachweis der Existenz eines Vakuums reduzieren lässt, denn er war auch Diplomat und vertrat Magdeburg bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden. Auch General von Steuben, dem Mitstreiter George Washingtons, der alljählich in New York mit einer großen Parade geehrt wird, stammte aus Magdeburg.
Gleiches gilt für Georg Philipp Telemann, er hinterließ der Welt sein reiches musikalisches Erbe. Heute ist die Popband »Tokio Hotel« bei der Jugend populär. Und der ebenso begnadete wie exzentrisch anmutende Handball-Star Stefan Kretzschmar ist das Aushängeschild der Stadt, wirbt nachdrücklich für die Vielfalt seiner Heimat.
Der aus dem Bundesgartenschaugelände entstandene hundefreie Elbauenpark trägt zum Freizeitvergnügen der Magdeburger ebenso bei wie der Herrenkrugpark. Dort ist die historische Jugendstil-Gaststätte zu einem sehr charmanten Luxushotel umgebaut worden, welches nah an einem von nur zwei Golfplätzen in Sachsen-Anhalt liegt. Der Zoologische Garten kann noch nicht mit Erlebnislandschaften aufwarten, doch der bis 2003 noch in Münster tätige neue Direktor Kai Perret weiß, dass er dies durch andere Angebote kompensieren muss. Vorsichtig und tiergerecht baut er daher Programme auf, die unter dem Motto »tierisch nah« Besucher und Zoobewohner enger zusammenführt, als dies in anderen Tierparks der Fall ist. So dürfen die Touristen eigenhändig Giraffen und Lamas füttern oder sich auch als Pfleger für einen Tag bewerben, wobei sie ihrem Lieblingstier noch näher kommen - auch den Raubkatzen, wenn es gewünscht wird.
Und weil das Umfeld stimmt, rückt auch der Dom wieder ins Blickfeld des Interesses. Er wurde im Zeitalter der Gotik begonnen und vollendet, in seinem Innern beachtenswert sind die filigranen Säulenkapitelle ebenso wie die Figur des Stadtpatrons Hl. Mauritius, erstes nachantikes europäisches Kunstwerk, welches einen Schwarzen in seiner Hautfarbe darstellt, das Kriegerdenkmal von Ernst Barlach und die Darstellung der klugen und törichten Jungfrauen im Paradiesportal.
www.magdeburg.de



Artikel vom 16.05.2006