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Kabarett-Duo bringt Kultur
in den Knast

Lesung in der JVA Brackwede

Von Hendrik Uffmann
(Text und Foto)
Ummeln (WB). Kultur ist im Knast Mangelware. Eine der Ausnahmen gab es am Mittwochabend in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I. Auf Initiative des Straffälligen-Vereins Kreis 74 waren dort die Kabarettisten Gerlis Zillgens und Bernd Gieseking zu Gast. Das Besondere: Zum ersten Mal durften - passend zum Programm - Männer und Frauen gemeinsam im Publikum sitzen.

Bei der Veranstaltung in dem Mehrzweckraum der JVA dominierten zunächst die Unterschiede. Knapp 100 weibliche Insassen gibt es dort, 34 von ihnen hatten sich angemeldet. Von den mehr als 500 männlichen Gefangenen kamen zehn. Die Frauen spazieren lautstark plaudernd zuerst in den Saal, die Männer setzen sich - vorsichtig zurückhaltend - auf die Stühle, die am weitesten vom anderen Geschlecht entfernt sind. »Wenn wir gewusst hätten, dass auch Frauen kommen, wären sicherlich mehr von uns da« sagt einer der Gefangenen.
Dann legen Gerlis Zillgens und Bernd Gieseking los und stellen unter anderem fest: Männer sind immer schuld. Natürlich. Und wenn sie sich nur schuldig fühlen, weil sie eigentlich keine Schuld spüren. Kompliziert? Vielleicht, aber so ist es nun einmal mit den Irrungen und Wirrungen und bei den Versuchen der Paarungen zwischen Männern und Frauen. Und denen gehen Gerlis Zillgens und Bernd Gieseking auf den Grund - mit geschliffenen Worten, Alltäglichem, Einsichten über das Mit- und Gegeneinander und die banalen Missverständnisse, die doch eigentlich so einfach aufzulösen wären.
Seit September sind Gerlis Zillgens und Bernd Gieseking - sie Rheinländerin, er Ostwestfale - mit ihrem Programm »Hosen runter« unterwegs. Und das ist pointenreich und immer dann am besten, wenn ein und dieselbe Begebenheit aus zwei Blickwinkeln erzählt wird. So erleben die Zuschauer das vierte Rendezvous zwischen Frau und Mann, das doch so viel versprechend und harmonisch beginnt und im Chaos endet, weil sie denkt, dass er denkt, sie könnte denken. . . - und umgekehrt. Oder beide spontan Appetit auf Sex haben, aber auch die größte Lust nicht gegen das komplizierte Gedankenspiel der Geschlechter ankommt. Die Texte kommen an bei dem Publikum, lautes Lachen bei den Frauen, Grinsen bei den Männern, immer wieder spontaner Applaus.
»Das Programm dreht sich um die literarische Bearbeitung von Lebens- und Liebeswelten, und damit hat jeder schon seine Erfahrungen gemacht, ob er draußen oder im Gefängnis ist. So passt das Programm auch gut hierher«, sagte Bernd Gieseking nach der Vorstellung. Und doch sei es etwas anderes, in diesem Rahmen aufzutreten. »Die Figuren in unseren Texten sind frei, fahren in den Urlaub, treffen sich an verschiedenen Orten - all das, was die Menschen hier nicht können«, ergänzte Gerlis Zillgens. Einig sind sich beide, das der Auftritt Spaß gemacht hat. Bernd Gieseking: »Es war schön, in diesem Rahmen einen Beitrag leisten zu können.«

Artikel vom 12.05.2006