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OP hilft gegen »SMS-Krankheit«

Viele Daumengelenke übermäßig belastet - Kasse bezahlt Implantat

Von Christian Althoff
Löhne (WB). Zum ersten Mal haben Ärzte in Ostwestfalen-Lippe einer Patientin ambulant ein keramisches Daumensattelgelenk implantiert. »Ein Eingriff, den wir noch oft vornehmen werden, weil sogar schon junge Menschen dieses Gelenk durch übertriebenes SMS-Schreiben verschleißen«, sagt Handchirurg Dr. Frank Krause.

Manuela Fuchs (45) aus Löhne (Kreis Herford) arbeitet als Arzthelferin. Wenn sie Gewebeproben nimmt, muss sie mit ihrem linken Daumen Druck auf ein Gerät ausüben - jeden Tag, Jahr für Jahr. »Vor 18 Monaten begann mein linker Daumen zu schmerzen«, erzählt die Frau. Zuletzt seien die Beschwerden so stark gewesen, dass selbst das Greifen eines Tellers zur Qual geworden sei. Ein Arzt verschrieb ihr Schmerzmittel, aber die beseitigten nicht die Ursache.
»Die Patientin litt trotz ihres jungen Alters an einer Arthrose des Daumensattelgelenks«, sagt Dr. Frank Krause aus Paderborn, der gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Tobias Senn in Bad Salzuflen eine Praxis für Hand- und Unfallchirurgie betreibt. Dieses Gelenk verbindet den Mittelhandknochen des Daumens mit dem Handwurzelgelenk. »Durch die ständige Belastung hatte sich die Knorpelschicht des Gelenks abgenutzt. Da rieb Knochen auf Knochen, wodurch es zu schmerzhaften Entzündungen kam«, erklärt Dr. Senn.
Ein üblicher Eingriff in diesen Fällen ist die Entfernung eines Teils des Gelenkes, so dass die Knochen keinen Kontakt mehr zueinander haben. Allerdings wird der Daumen dann instabil, und festes Zugreifen ist nicht mehr möglich. Deshalb setzen Ärzte bei Kranken, deren Knochen noch nicht zu sehr geschädigt sind und die keine Schwerstarbeit leisten müssen, künstliche Gelenke ein - und die gibt's jetzt nach Angaben des Herstellers erstmals aus Keramik. »Etwas Haltbareres gibt es nicht«, sagt Frank Krause. Zwar lägen für Daumengelenke noch keine Erfahrungswerte vor, doch gehe man bei Porzellanhüften, die ja permanent mit hohem Gewicht belastet würden, von 15 Jahren aus.
Fünf Tage ins Krankenhaus - das wollte Arzthelferin Manuela Fuchs nicht. Deshalb ließ sie sich das 1020 Euro teure Gelenk vor vier Wochen in der Bad Salzufler Praxis ambulant einsetzen - ein Eingriff, den ihre gesetzliche Krankenkasse übernommen hat. »Um 12 Uhr musste ich dort sein, fünf Stunden später durfte ich schon wieder nach Hause.« 45 Minuten hatte der Eingriff unter Vollnarkose gedauert, heute erinnert nur noch eine drei Zentimeter lange Narbe an die Implantation. »Ich habe alles bestens überstanden und bin endlich wieder schmerzfrei!«, strahlt die Löhnerin.
Manuela Fuchs hatte ihr Daumengelenk durch jahrelange berufliche Beanspruchung zerstört. So viel Zeit benötigten viele junge Menschen nicht, sagt Handchirurg Tobias Senn: »Wir haben einen 18 Jahre alten Patienten, der sich sein rechtes Daumensattelgelenk durch tägliches, stundenlanges Videospielen abgenutzt hat.« Auch übertrieben häufiges Schreiben von Textmitteilungen (Short Message Service, SMS) auf dem Handy führe zu diesen Symptomen, sagt der Arzt. 484 Mal haben er und sein Kollege in den vergangenen zwölf Monaten Arthrose an Daumensattelgelenken diagnostiziert - »und es sind immer häufiger junge Menschen, die in unsere Praxis kommen.«

Artikel vom 15.05.2006