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Wenn das der alte Siemens wüsste

Seine Straßenbahn erfreut sich im 125. Jahr größter Wertschätzung


Berlin (dpa). Sie rollte über stromgeladene Schienen, quietschte um die Kurven und ihr Fahrer stand im Freien. Die erste elektrische Straßenbahn, die vor 125 Jahren vor den Toren Berlins rumpelte, war eine Weltpremiere. Am 16. Mai 1881 absolvierte der kleine Wagen, von Werner von Siemens gebaut, seine Jungfernfahrt.
Doch die Geschichte der Berliner und ihrer Straßenbahn war keine Liebe auf den ersten Blick. Viele Zeitgenossen haben Siemens' Versuchsbahn 1881 belächelt. Sie war fünf Meter lang, zwei Meter breit, bot 26 Fahrgästen Platz und fuhr auf den 2,5-Streckenkilometern mit ihren fünf PS kaum mehr als Schritttempo.
Andere deutsche Städte zogen schnell gleich, »überholten« sogar in der technischen Entwicklung. Die erste »Elektrische« mit Oberleitung zuckelte 1884 von Frankfurt nach Offenbach. 1895 kurvte die erste Tram durch Stuttgart, auch Bielefeld war bereits anno 1900 mit der Linie 1 nach Brackwede dabei.
In den 1960er-Jahren galt die Straßenbahn dann vielerorts als »altmodisch.« Im Westen Berlins wurde sie nach dem Mauerbau abgeschafft, München wollte die Tram 1972 zu den Olympischen Spielen stilllegen. Man ließ es - und hat heute ein Netz größer denn je. Denn der Traum von der autogerechten Stadt, der Straßenbahnen seit den 60ern vielerorts verdrängte, ist längst ausgeträumt. Stattdessen zählen ihre Vorteile: keine Abgase, große Kapazität und Unabhängigkeit vom Autostau.
In Berlin prägt die gelbe Straßenbahn heute vor allem den Osten des Stadtbildes. Doch mit 180 Kilometern Länge hat die deutsche Hauptstadt nach Wien noch immer das längste Tram-Netz in Europa. Und es wächst weiter, erobert auch wieder den Westen: Eine Linie soll von 2009 an den neuen Hauptbahnhof anschließen.

Artikel vom 11.05.2006