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Reisen wird teurer

Deutsche lassen sich Urlaubsspaß nicht vermiesen


Von Thomas Albertsen
Zweimal im Jahr stellen die großen Reiseveranstalter neue Kataloge vor, in denen sie Urlaubsangebote für die Winter- und Sommersaison anpreisen. Und in der Vergangenheit staunten die Kunden oft Bauklötze -Êdenn in schöner Regelmäßigkeit purzelten die Preise. Irgendwann war es tatsächlich billiger, zwei Wochen in die Dominikanische Republik zu fliegen, als 14 Tage mit dem Auto in die Alpen zu fahren. Im Ausland, sind die Personalkosten nun mal ungleich niedriger als in Mitteleuropa. Aber auch in Spanien unterboten sich die Veranstalter gegenseitig, denn der Bau-Boom sorgte für immer mehr Hotels, knallharte Konkurrenzkämpfe und damit scharf kalkulierte Schnäppchenpreise.
Marktschreierisch wurde es verkündet: Der Urlaub wird noch billiger! So wurden die Deutschen zu Reise-Weltmeistern: Sie kamen in hellen Scharen und profitierten von dieser starken Marktstellung. Denn die Hoteliers kalkulieren die Preise für ihre internationalen Gäste oft ganz unterschiedlich. Nehmen wir beispielsweise eine Hotelkette auf den Malediven: Von den Chinesen und Japanern, die in der Regel für drei bis vier Tage anreisen, nimmt man das Drei- bis Vierfache pro Tag wie von Deutschen, die ein bis zwei Wochen bleiben.
Freilich war Billigurlaub stets ein zweischneidiges Schwert. Der Eckpreis im Katalog war günstig, die vor Ort zu entrichtenden Nebenkosten indes gewaltig. Dem schlug die Branche ein Schnippchen und etablierte (ursprünglich von der Karibik ausgehend) das System der All-inclusive-Ferien.
Der Preis unterlag aber auch stets anderen Kriterien: Die Touristikkonzerne mussten auf Gedeih und Verderb wachsen. Zeitweise waren Marktanteile wichtiger als Umsatz und Ertrag. Doch Marktanteile kann man nicht zur Bank tragen, erkannte einst TUI-Chef Volker Böttcher ganz korrekt.An der Nachfrage orientierte Kalkulation ermöglichte das Last-Minute-Geschäft und Frühbucher-Rabatte. Dazu kam die Welle der Billigflieger, die die Pauschalreise auch günstiger machte.
Und es gab Unwägbarkeiten wie Naturkatastrophen und Terror, die der Branche zusetzten. Beispiel Ägypten: Metzelten dort islamistische Terroristen Urlauber dahin, musste das ramponierte Image als Urlaubsziel mit Hilfe von Dumpingpreisen wieder aufpoliert werden. Ob das nach den jüngsten Anschlägen in Sharm el-Sheikh und Dahab wieder gelingt, darf bezweifelt werden.
Im kommenden Jahr aber dürfte der Urlaub allgemein teurer werden, denn die dreiprozentige Mehrwertsteuer-Erhöhung schlägt zu Buche. Es darf bezweifelt werden, dass die Veranstalter ihre ausländischen Partner dazu bewegen können, diese auszugleichen. Ebenso ist in Zeiten angestrebter Gewinnmaximierung auf Unternehmerseite kaum anzunehmen, dass man hier zu Zugeständnissen bereit ist. Im Gegenteil: Nie war es einfacher, die Preiserhöhung zu bedauern und die Schuld »den Politikern« in die Schuhe zu schieben. Mario Köpers, Pressesprecher von Thomas Cook: »Bei einer Marge wenig mehr als zwei Prozent bleibt den integrierten Konzernen gar keine andere Wahl, als diese Erhöhung zu großen Teilen an den Verbraucher weitzugeben.« Dies gilt erst recht für die reinen Veranstalter, die mit einer Marge von weniger als zwei Prozent rechnen.
Da aber die Deutschen als Reiseweltmeister (der »Titel« wurde jüngst erfolgreich verteidigt) wohl auch 2006 beim Urlaub nicht kürzer treten wollen, werden sie sich anderswo einschränken müssen.

Artikel vom 16.05.2006