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Blick geht
nach Osten

Jung Pumpen in Steinhagen

Von Annemarie Bluhm-Weinhold
Steinhagen (WB). Indien und China sind reizvolle Märkte. Der Osten lockt die Unternehmen aus dem Westen - auch die Firma Jung Pumpen in Steinhagen. Doch so weit in die Ferne schweifen, das muss der traditionsreiche Hersteller von Abwassertechnik gar nicht. Das Gute liegt viel näher: in den neuen und den künftigen EU-Staaten.

Polen, Ungarn und Tschechien und auch schon die EU-Aspiranten Bulgarien und Rumänien bieten dem Mittelständler jede Menge Potential. Ohne die alten Märkte vernachlässigen zu wollen: »Der Fokus für unsere Expansion ist ganz klar auf Osteuropa gerichtet«, sagt Geschäftsführer Helmut Schweitzer. Dank der EU liegen die guten Argumente für Investitionen dort quasi auf der Straße - oder besser gesagt: unter der Straße. Denn die EU-Gesetzgebung und vor allem die strengen Umweltauflagen, die auch schon für Anwärterstaaten gelten, sehen umfangreiche Maßnahmen für die Wasser- und Abwassertechnik vor. So müssen die EU-Neulinge bis 2015 etwa alle Gemeinden ab 3000 Einwohnern an das Kanalnetz angeschlossen haben.
Und da hat Osteuropa doch einen erheblichen Nachholbedarf. Helmut Schweitzer nennt Vergleichswerte. Während in Deutschland die Anschlussrate an die Kanalisation bei 95 Prozent liegt, beträgt sie in Polen gerade einmal 57, in Tschechien 54, in Ungarn 51 Prozent, in Bulgarien und Rumänien zum Teil sogar weniger als 40 Prozent. Da sind zahllose Schächte und Pumpen nötig. Und Jung Pumpen, dem Marktführer im Bereich der Druckentwässerung, kommt zugute, dass die »Neuen« Flächenstaaten mit ländlichen Strukturen und vielen entlegenen Gebieten sind.
In Sachen Druckentwässerung haben die Steinhagener vor zehn Jahren schon auf dem Darß ihr »Meisterstück« abgeliefert. 1500 Pumpstationen aus dem Hause Jung sind auf der Ostsee-Halbinsel installiert worden. »Der ganze Darß ist durch uns druckentwässert. Denn wegen der zahllosen Naturschutzgebiete und Biotope ist die Druckentwässerung die umweltverträglichste Lösung«, erläutert der Firmenchef. Das liegt schon an den Rohren mit 50er Querschnitten, die also erheblich kleiner als herkömmliche Riesen-Kanäle sind.
Den Darß führt das Unternehmen gerne als Referenzprojekt an. Auch wenn wieder Gäste aus Osteuropa im Hause sind. Zwar ist Jung in Polen und seit diesem Jahr auch in Ungarn und der Slowakei mit Tochtergesellschaften und Außendienstlern, in Tschechien, Rumänien und Bulgarien über Partnerfirmen vertreten. Aber die Planer, Architekten, Tiefbauer und kommunalen Spitzen, die die Projekte vor Ort gestalten und entscheiden, informieren sich auch in Steinhagen über die Angebote. »Es sind sehr kritische Gäste, die sich die Anlagen und das Werk ansehen und die Firma kennen lernen wollen«, lobt Schweitzer deren hohes Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit den Geldern und Fonds der EU. Gerade ist ein großer Teil vom Kuchen an die Steinhagener Firma abgefallen: 700 Pumpstationen für ein Projekt in Polen - der bisher größte Auftrag aus Osteuropa.
Doch so klar der Osten dem Vertrieb vor Augen steht, so deutlich fällt für die Produktion das Bekenntnis zum Standort Deutschland und speziell Steinhagen aus. »Unsere hohe Qualität können wir nur hier halten und garantieren«, sagt Helmut Schweitzer. Man messe sich schließlich mit großen Namen, habe sich Nischen erobert: »Das geht nur, wenn wir uns vom Wettbewerb unterscheiden. Und das wiederum können wir nur über Qualität erreichen«, führt er aus. Natürlich müsse man die Kostenstruktur im Griff haben, also immer wieder Prozesse umstellen, in neue Techniken investieren (in diesem Jahr stehen etwa 1,5 Millionen Euro für ein neues Warenwirtschaftssystem an) und sich auf eine flexible Mitarbeiterschaft verlassen können.
Helmut Schweitzer weist auf gestiegene Umsätze (52,7 Millionen Euro in 2003, 55,1 Millionen 2005) und konstante Mitarbeiterzahlen (334 in 2003, 340 in 2005) auch in den zurückliegenden schwierigen Jahren hin. Und somit will Jung Pumpen auch ferner stolze Mutter weiterer Töchter werden: Rumänien und Bulgarien werden die nächsten heißen.

Artikel vom 18.05.2006