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Vom Heiligen
Geist und dem
Pfingstausflug
Warum es etwas schwieriger ist, dieses Fest zu verstehen
Wir feiern das Pfingstfest. Aber warum eigentlich? Weil es dafür einen extra Tag Freizeit gibt? In manchen Bundesländern gar zwei Wochen Schulferien, die sich herrlich zum vorgezogenen Sommerurlaub eignen?
Ja, wenn's an Pfingsten regnet, das ist schon ein Drama. Hinaus will man - wenigstens bis auf den Balkon. Aber wer und was uns diese Segnung im späten Frühjahr eingebracht hat, daran können sich in der Regel auch halbwegs zuverlässige Weihnachts-Kirchgänger nicht so recht erinnern. Oder zumindest wollen sie es nicht erklären können... Nur, dass es etwas Wichtiges im Kirchenjahr sein muss. Logisch - wie zu Ostern steht ja ein Extra-»Feier«-Tag zur Verfügung.
Doch mit lebensleichter Biergartenseligkeit hat Pfingsten ursprünglich nichts zu tun. Erstens trank man seinerzeit in der Gegend, in der Pfingsten seinen Anfang nahm, lieber Wein. Und zweitens bedarf es auch eines gewissen theologischen Interesses, sich die Zusammenhänge zu erklären. Ungläubigen muss man damit schonmal gar nicht kommen. Denn wie schon der Name sagt: Man muss dran glauben, an seinen Glauben.
Im Zeitraffer beinhaltet der christliche ja, dass der liebe Gott uns seinen Sohn schickte, indem er der Jungfrau Maria das Jesuskind schenkte (Weihnachten), welches dann etwa 35 Jahre lang auf Erden ein Vorbild war, Nächstenliebe und Wunder lebte, bis Gottvater ihn opferte (Karfreitag), um uns Menschen von unseren Sünden zu befreien.
Jesus überwand den Tod, auferstand von den Toten (Ostersonntag), erschien den Jüngern erneut und lehrte sie 40 Tage das schöne Reich Gottes, um schließlich in den Himmel auf den Platz »zur Rechten Gottes« erhoben zu werden (Himmelfahrt).
Am 50. Tag nach der Wiederauferstehung schließlich - und genau das ist Pfingsten (eigentlich der Montag) - ergießt sich der Heilige Geist als der von Jesus angekündigte Tröster über die Jünger. Das Wort Pfingsten leitet sich aus dem griechischen »pentekosté«, der Fünfzigste, ab. So feiern die Franzosen denn auch »Pentecôte«, die Briten »Pentecost«.
Aber genau da, beim Heiligen Geist, wird's ja schwierig! Geburt (Weihnachten) und Wiederauferstehung (Ostern), das kann sich wirklich jedes Kind vorstellen, warum da gefeiert und an den Religionsstifter Jesus Christus gedacht wird. Aber Heiliger Geist? In der Bibel (Apostelgeschichte) erzählt es der Evangelist Lukas so. Die Jünger Jesu hatten sich am Pfingsttag, dem jüdischen Erntedankfest, in Jerusalem versammelt: »Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.«
Es geschah also etwas Ungeheuerliches, Unerklärliches, Unheimliches. Und gleichwohl versetzte das die Jünger in überschwappende Glückseligkeit. »Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein«, berichtet Lukas noch. Doch das störte die Jünger nicht. Schon hatten sie begonnen, ihre Botschaft allen Menschen dieser Welt zu verkünden: Gott hat euch lieb, Jesus lebt und nach dem Tod geht's für alle weiter, die fest sind im Glauben daran. Und diese werden dann selbst auch vom Heiligen Geist beseelt.
Pfingsten gilt somit als eigentlicher Gründungstag der Christlichen Kirche mit ihrer Dreifaltigkeit aus Gottvater, Sohn und eben jenem Heiligen Geist, ohne den die Jünger gar nicht begriffen hätten, was Christi Leben für das ihre und der anderen Menschen bedeutet hat.
Auf kirchlichen Bildern ist der Heilige Geist manchmal als weiße Taube dargestellt, das Symbol für den Frieden. Oder in Form kleiner Flämmchchen, die auf den Häuptern der Jünger züngeln: Ihnen ging ein Licht auf und sie waren »Feuer und Flamme« für ihre neue Erkenntnis, den gewonnenen Glauben.
Tja, und das alles zu verstehen ist nun einmal dem jungen Christenmenschen nicht gleich in die Wiege gelegt. Später, wenn er's dann mal wissen will, kann es ihm keiner so recht erklären. Weil die Erwachsenen ja auch mal klein waren und es auch ihnen niemand erklärte. Es wird schließlich nicht jeder im Pfarrhaus groß!
Unter einem Geist an sich, da könnte man sich schon etwas vorstellen. Das sind diese leicht windigen Gestalten von der Konsistenz eines Bettuches, die durch schottische Schlösser wehen: Nicht greifbar, aber vorhanden - was ja wiederum auch auf den Heiligen Geist zutrifft.
Doch »Geist« ist eben nicht nur ein nebulöses Wesen, sondern zugleich ein anderes Wort für Sinn und Verstand, für das Verinnerlichen einer Idee, für das Verstehen mit dem Herzen.
Als »der Heilige Geist über sie kam«, hatten die Jünger schlichtweg endlich Jesu Idee und Botschaft kapiert, gerafft, verinnerlicht - und zogen nunmehr selbst los, um dafür zu werben.
Und wo wir das nun alles wissen und möglicherweise vielleicht sogar daran glauben, hat Jesus sicher nichts dagegen, wenn wir Pfingsten, bei hoffentlich gutem Wetter, mit Familie und Freunden einen schönen Ausflug machen. Vielleicht sogar in den Biergarten.Ingo Steinsdörfer

Artikel vom 03.06.2006