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Erfolgsgeschichte
der Arbeitgeber

60-jähriges Bestehen wird im Juni gefeiert

Von Dr. Werner Efing
»Arbeitgeberverbände - Erfolgsstory oder Auslaufmodell!?« Unter diesem Titel steht die Jubiläumsveranstaltung, mit der am 13. Juni der Unternehmerverband der Metallindustrie Bielefeld und der in Geschäftsstellengemeinschaft und Personalunion arbeitende Arbeitgeberbund Ostwestfalen-Lippe in der Kunsthalle Bielefeld ihr 60-jähriges Bestehen feiern.

Natürlich sind die Veranstalter, also die Vorstände und Geschäftsführungen der Verbände der festen Überzeugung, keine Auslaufmodelle zu repräsentieren, sondern eine Erfolgsstory - wenn auch vielleicht mit einigen kleinen Dellen und Schönheitsfehlern.
Dabei ist die Zahl 60 eine maßlose Untertreibung beziehungsweise bewusstes Understatement, denn auch lange vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in der Region nicht nur Gewerkschaften, sondern auch entsprechende Arbeitgeberorganisationen. Allerdings wissen wir über die genauen Strukturen und Daten wenig, da fast alle Unterlagen im Krieg verloren gegangen sind. Allerdings liegen uns einzelne Schriftstücke aus den 1920er Jahren vor, die etwa beweisen, dass ein »Arbeitgeberverband der Metallindustrie Bielefeld« auch schon vor mehr als 80 Jahren unter anderem in dem Sinne aktiv war, dass die Mitgliedsfirmen durch Bürgschaften in ihren Kunden- und Lieferantenbeziehungen unterstützt wurden.
Unsere Schwesterverbände in Duisburg und Bochum feiern in diesen Tagen ihr 100-jähriges Bestehen. Vielleicht sind sie nur ganz einfach etwas mutiger in der Einbeziehung der Vorkriegshistorie. Wir beschränken uns auf den Rückblick auf 60 Jahre Arbeit für die Mitgliedsunternehmen seit 1946.
Diese Arbeit war immer geprägt durch zwei Schwerpunkte: Zum einen die Interessenvertretung der Wirtschaft, der Industrie beziehungsweise der jeweiligen Branche gegenüber der Politik, den gesellschaftlichen Gruppen und der Öffentlichkeit, und zum anderen durch ein zunehmend breiter werdendes Dienstleistungsangebot für die Mitgliedsunternehmen mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Sozialrecht. Die Gewichtung dieser beiden Schwerpunkte wird von jedem Arbeitgeberverband ein wenig anders gesehen und hat sich über die Jahrzehnte sicher auch verschoben.
War früher die Tarifbindung fast aller Firmen und Betriebe eine Selbstverständlichkeit, gibt es heute in allen Branchen entweder eine »OT-Mitgliedschaft«, also die Mitgliedschaft im Verband ohne Tarifbindung, oder es existiert wie in Bielefeld ein in Geschäftsstellengemeinschaft und Personalunion arbeitender »gemischtgewerblicher Verband«, in den die Firmen überwechseln, die von den Tarifen »die Nase voll haben«. Für die Geschäftsführungen und die Mitarbeiter der Verbände bedeutet dies, dass sie nicht nur an den Flächentarifverhandlungen, die in der Regel auf Bundes- oder Landesebene stattfinden, sondern auch für andere Mitgliedsbetriebe beim Aushandeln von Firmentarifverträgen beteiligt sind.
Das Dienstleistungsangebot der Verbände geht inzwischen weit über die arbeitsrechtliche Beratung und Prozessvertretung hinaus. Vor allem Entgeltsysteme und Arbeitszeitsysteme, Modelle der Gruppenarbeit, Formulierung von Zielvereinbarungen, Leistungsbeurteilungen, betriebliche Modelle der Erfolgsbeteiligung und viele andere Themen gehören heute zum Beratungsgeschäft der Verbandsgeschäftsstellen. Darüber hinaus bietet das Verbandshaus Am Sparrenberg Informations- und Weiterbildungsangebote für die Mitgliedsfirmen zu den unterschiedlichsten Themen an. Dies reicht von 60- oder 90-minütigen Einzelvorträgen über Erfahrungsaustauschgruppen etwa der Personalleiter und der Ausbildungsleiter bis zu modularen Weiterbildungsangeboten für mittlere Führungskräfte unter dem Stichwort »Veränderungsmanager«, die in mehreren anderthalbtägigen Blöcken fast schon Hochschulniveau erreichen.
Ziel der Verbände ist es, Berater und Anlaufstelle der Mitglieder in fast allen Lebenslagen zu sein. Nichts zu tun haben die Arbeitgeberverbände mit der Technik und dem Produkt, mit Marketing, Controlling und Preisen. Aber alles, was den Faktor »Mensch« im Unternehmen betrifft, berührt auch unseren Aufgabenbereich.
Wenn die Arbeitgeberverbände daher in einem positiven, wohlverstandenen Sinne Lobbyisten für ihre Mitglieder, für die Branche und die heimische Wirtschaft insgesamt sind, darf dies nicht als Verteidigung überkommener und überholter Strukturen, als Kirchturmspolitik und als veränderungsfeindlich missverstanden werden. Im Gegenteil: Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Mitgliedsunternehmen bei den tiefgreifenden Veränderungen durch den technischen Fortschritt, die Globalisierung und die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturveränderungen zu begleiten. Dass uns dies in den letzten Jahren und Jahrzehnten weitgehend gelungen ist, zeigt die stabile bis positive Mitgliederentwicklung. Dass gleichzeitig die Mitarbeiterzahlen in der Industrie und im sogenannten »sekundären Sektor« zurückgehen, ist sicherlich weniger ein Fehler des Verbandes und seiner Mitglieder als ein Ausfluss des Wandels zur Dienstleistungs- und Kommunikationsgesellschaft, der auch unsere Region mit aller Wucht erreicht hat.
Allerdings ist bemerkenswert, dass der prozentuale Anteil der Industrie, des produzierenden Gewerbes in Bielefeld immer noch deutlich höher ist als im Landes- und Bundesdurchschnitt. Dies spricht zum einen für die Bedeutung des Produktionsstandortes Bielefeld, zum anderen aber leider auch dafür, dass auch in Zukunft der Rückgang der Arbeitsplätze in diesem Bereich weitergehen wird und unaufhaltsam ist.

Artikel vom 18.05.2006