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Da hilft auch
Spinoza nicht

Candide-Preis an Karl-Heinz Ott

Von Hartmut Horstmann
Minden (WB). Der aus Süddeutschland stammende Autor Karl-Heinz Ott Êerhält die lukrativste Literatur-Auszeichnung der Region Ostwestfalen-Lippe. Es handelt sich um den Candide-Preis, der in Minden vor drei Jahren erstmals vergeben wurde. Die Preisverleihung erfolgt am kommenden Samstag um 10.30 Uhr im Mindener Preußen-Museum.

Stifter der mit 7500 Euro dotierten Auszeichnung ist der Literarische Verein Minden, dessen Jury mit der bisherigen Nominierung ein gewisses Populär-Gespür bewiesen hat. So ging der maßgeblich von der hiesigen Unternehmerschaft finanzierte Preis im vergangenen Jahr an Daniel Kehlmann.
Zum damaligen Zeitpunkt war Kehlmann ein junger Autor, der von Kritikern hoch gelobt wurde. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Jury von dem Manuskript »Die Vermessung der Welt« Êüberzeugt war, entschieden sich die Verantwortlichen in Minden für den Österreicher. ÊWas folgte, gehört zu den besonders schönen Geschichten, die das Literaturleben schreibt: »Die Vermessung der Welt« wurde zu einem Bestseller - für viele Zeitgeist-Skeptiker immerhin auch ein Indiz dafür, dass intelligente ÊLiteratur nicht zwangsläufig erfolglos sein muss.
Der Name ist Programm. ÊDie Benennung des Preises Ênach der Voltaire-Satire Candide gibt hinsichtlich der Auswahl der Autoren eine gewisse Linie vor. Zwar verfügen die Bücher der bisherigen Preisträger nicht über den weltliterarischen Biss des Candide, doch zeichnen sie sichÊ immerhin durch Geistreichtum Êund Êsprachliches Niveau aus.
Der Schriftsteller Karl-Heinz Ott (Jahrgang 1957), der bisher zwei Romane veröffentlicht hat, entspricht diesen Ambitionen der Jury. Das beginnt bereits beim akademischen Personal seines jüngsten Romans »Endlich Stille«, dessen Ich-Erzähler als Philosophie-Professor Spinoza lehrt. ÊWie aus dem Nichts gerät die begrifflich klar gegliederte ÊWelt des Geisteswissenschaftlers ins Wanken, als er einen aufdringlichen, angeblichen Musiker kennen lernt. Der Unbekannte mischt sich nicht nur ein, sondern reißt das Leben des Professors förmlich an sich. Gekonnt, mit welcher psychologischen Genauigkeit der Autor den Sog der fortschreitenden Annexion beschreibt.
Es scheint kein Entkommen zu geben, da hilft auch keine Spinoza-Weisheit. Der Philosoph ist unfähig, sich selbst zu helfen. Auch als er seine Adresse und Telefonnummer falsch angibt, gelingt es ihm nicht, den lästigen Aufdringling loszuwerden.
Die Laudatio bei der Candide-Preisverleihung am 13. Mai hält der FAZ-Rezensent Richard Kämmerlings.
Karl-Heinz Ott: Endlich Stille. Hoffmann und Campe Verlag. 208 Seiten, 17,95 Euro

Artikel vom 10.05.2006