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Wichtige Branche in OWL

Möbelindustrie überwindet Krisenjahre - Blick in die Zukunft

Von Dirk-Uwe Klaas
Bielefeld (WB). Nordrhein-Westfalen bildet seit jeher den Produktionsschwerpunkt für die deutsche Möbelindustrie. Ein Drittel aller deutschen Möbelbetriebe - 357 von 1125 - sind hier angesiedelt. Mit 40 300 der bundesweit 104 700 Beschäftigten ist mehr als jeder dritte Beschäftigte in der deutschen Möbelindustrie heute in NRW tätig.

Einen besonderen Schwerpunkt innerhalb von NRW stellt Ostwestfalen-Lippe dar. Die hier angesiedelten Möbelbetriebe erwirtschafteten 2005 einen Umsatz von mehr als vier Milliarden Euro, was einem Anteil von 59 Prozent am Umsatz der NRW-Möbelindustrie oder 23 Prozent am Umsatz der gesamten deutschen Möbelindustrie entspricht.
In den ersten drei Jahren dieses Jahrzehnts hatte die deutsche Möbelindustrie die schwierigste Phase ihrer Nachkriegsgeschichte zu überwinden. Angesichts der vorherrschenden Rezession, der Dominanz des Inlandsgeschäfts und der unsicheren Zukunftsperspektiven - die Anschaffung neuer Möbel wurde von vielen Konsumenten in Deutschland auf bessere Zeiten verschoben - verzeichnete die Branche 2002 und 2003 zum Teil zweistellige Umsatzrückgänge. Der starken Insolvenzwelle fielen zahlreiche traditionsreiche Möbelhersteller zum Opfer und mit ihnen Tausende von Arbeitsplätzen. Als Antwort setzte die Branche verstärkt auf Qualität, Innovation, Designvielfalt und auf die konsequente Umorientierung auf die Exportmärkte und schaffte 2004 das Ende der Negativentwicklung.
Die konjunkturelle Entwicklung des Jahres 2005 gab daher erstmal wieder Anlass für vorsichtigen Optimismus. Der um branchenfremde Anteile bereinigte Umsatz der deutschen Möbelindustrie stieg im vergangenen Jahr um nominal 1,9 Prozent oder 300 Millionen Euro auf 17,2 Milliarden Euro. Damit lag der Branchenumsatz 2005 jedoch noch immer 12,7 Prozent unterhalb des Niveaus von 2001. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Konsumzurückhaltung der Verbraucher in den vergangenen Jahren nicht nur vorläufigen Charakter hatte, sondern in großen Teilen endgültigen Konsumverzicht bedeutete. Oder ein Ausweichen auf billigere Produkte - oftmals aus dem Ausland.
Der Umsatz der Möbelindustrie in Nordrhein-Westfalen betrug im vergangenen Jahr 6,8 Milliarden Euro - und wie im Bund gab es auch hier einen leichten nominalen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr. Die gerade in Ostwestfalen besonders stark konzentrierte Küchenmöbelindustrie konnte 2005 ihren Vorjahresumsatz knapp halten (plus 0,3 Prozent).
Was wird die nähere Zukunft bringen? Angesichts der »gefühlten Konjunktur« in den ersten fünf Monaten diesen Jahres mit steigendem Ifo-Index und nach oben korrigierten Wachstumsraten macht sich in der Bevölkerung wieder Optimismus breit. Für unsere Branche können die Fußball-WM im eigenen Land und Vorzieheffekte wegen der höheren Mehrwertsteuer 2007 sicherlich positive Impulse freisetzen und den Umsatz ankurbeln. Doch Vorsicht: Am Ende wird abgerechnet, und eine gute Stimmung alleine lässt die Bänder in den Unternehmen noch nicht schneller laufen.
Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre ist der Industrieumsatz mit Möbeln im Inland um durchschnittlich vier Prozent gesunken. Der stetig steigende Export reicht angesichts eines Anteils von 30 Prozent jedoch noch nicht aus, diesen Rückgang zu kompensieren. Setzt sich diese Entwicklung so fort, dauert es noch rund fünf Jahre, bis das Auslandsgeschäft die Schwäche des Inlandsmarktes umsatzmäßig ausgleichen kann und noch zehn Jahre bis sich die Beschäftigung stabilisiert hat.
Positivere Szenarien mit zukünftig nur zwei Prozent Inlandsmarktrückgang oder noch stärkerem Exportwachstum beschleunigen die Stabilisierung selbstverständlich. Doch bei all diesen Modellberechnungen ist eine gleich bleibende Produktivität - also ein gleiches Verhältnis von Umsatz pro Beschäftigten - unterstellt. Ändert sich jedoch dieses Verhältnis etwa durch ver-stärkte Auslagerungen ins Ausland oder durch einen verstärkten Zukauf von Handelsware aus dem Ausland wird dies eine Stabilisierung der Beschäftigung im Inland hinauszögern.
Maßgeblich für diese Entwicklungen sind die Kostenstrukturen in Deutschland und hier in erster Linie die Lohnkosten. Steigen diese stärker an als in der Vergangenheit, hat dies selbstverständlich negative Auswirkungen auf die Produktion in Deutschland. Zudem verringert sich hierdurch die Wettbewerbsfähigkeit zu unseren Konkurrenten auf den Auslandsmärkten.

Artikel vom 18.05.2006