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E.ON-Prozess vorerst geplatzt

Gasstreit: Handelsrichter befangen?

Von Karl Pickhardt
Paderborn/Dortmund (WB). Der Prozess von E.ON Westfalen-Weser gegen 15 »Gaspreis-Rebellen« aus dem Paderborner Land ist vorerst an einer möglichen Befangenheit von zwei prominenten Handelsrichtern am Kartellgericht des Landgerichts Dortmund gescheitert.
Stellte Befangenheitsantrag: Anwalt Reinhard Weeg. Foto: Fels

Die für morgen vorgesehene Urteilsverkündigung platzt, weil mit dem Dortmunder IHK-Präsidenten Udo Dolezych und Vize-IHK-Präsident Rolf-Dieter Beyersdorf am Richtertisch aus Sicht der Initiative »Gaspreise runter« ein »kaufmännisch und weniger ein verbraucherorientiertes Urteil« drohe. Vorsitzende Richterin Marlies Bons-Künsebeck hat nach einem Befangenheitsantrag von Rechtsanwalt Reinhard Weeg (Rheda-Wiedenbrück) gestern den Prozess am 11. Mai bereits abgesagt und für den 22. Juni einen neuen Termin angesetzt.
In der Zwischenzeit wird geprüft, ob der Dortmunder IHK-Präsident Dolezych und sein Vize Beyersdorf als Handelssrichter tatsächlich befangen sind und deshalb ausgetauscht werden müssen. Rechtsanwalt Weeg, der die Paderborner Initiative »Gaspreise runter« und die 15 beklagten Gaspreisverweigerer vertritt, erinnerte gestern daran, dass die von der Industrie- und Handelskammer bestimmten Handelsrichter nach einer immer noch gültigen IHK-Satzung von 1953 die Interessen der gewerblichen Wirtschaft zu vertreten hätten. Der Dortmunder IHK-Präsident und sein Stellvertreter hätten sich in diesem deutschlandweit beachteten Prozess selbst zu Handelsrichtern in diesem Verfahren bestimmt. »Das nährt bei Verbrauchern Misstrauen«, sagte Weeg. In diesem Verfahren klage schließlich ein Unternehmen gegen Verbraucher: Da sollten keine Kaufleute am Richtertisch sitzen.
Eine Interessenkollision sieht Rechtsanwalt Weeg zudem in einer bei der IHK-Dortmund angesiedelten Kulturstiftung, die auch von den Energiekonzernen RWE und E.ON kräftig finanziell unterstützt werde. Die beiden Handelsrichter, die durchaus die Vorsitzende Richterin überstimmen können, hätten wenig Interesse daran, Geldgeber dieser Stiftung in Missstimmung zu versetzen.
E.ON Westfalen-Weser hat in einem Musterprozess 15 Gaspreisverweigerer aus dem Raum Paderborn verklagt und fordert die säumigen Zahler zur Begleichung ihrer Erdgasrechnungen auf. Mindestens 1500 Erdgaskunden von E.ON Westfalen-Weser hatten nach wiederholten Tarifanhebungen die Zahlung der Mehrkosten verweigert. Sie fordern vom Energieversorger, der in Ostwestfalen-Lippe 65 000 Kunden mit Erdgas versorgt, eine vollständige Offenlegung der Kalkulation. Dies wiederum weist der Paderborner Versorger zurück. Deutschlandweit protestieren immer mehr Verbraucher gegen Gaspreisverteuerungen im zweistelligen Prozentbereich. Der Bund der Energieversorger spricht von 500 000 Gaspreis-Boykotteuren.

Artikel vom 10.05.2006