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Mieter hat Recht auf Flagge

Hausbesitzer müssen von Fußball-Fans dekorierte Fenster tolerieren

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Hausbesitzer dürfen ihren Mietern das Heraushängen von Deutschland-Fahnen während der Fußball-WM nicht verbieten. »Diese vorübergehende Erscheinung muss toleriert werden«, sagte gestern der Geschäftsführer von Haus & Grund OWL, Jürgen Upmeyer, dieser Zeitung.

Zwischen dem 9. Juni und 9. Juli bekommt so manches Haus ein schwarz-rot-goldenes Kleid. Wenn der Eigentümer Fußball nichts abgewinnen kann, sein Mieter aber die Klinsmann-Elf sichtbar unterstützen will, könnte es Streit geben. »Das Heraushängen der Flagge fällt unter die Meinungsäußerungsfreiheit und gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung«, erklärte Upmeyer.
Selbst wenn im Mietvertrag stehen sollte, dass Sympathiebekundungen dieser Art zu unterlassen sind, muss sich der Fußball-Fan nicht zwingend daran halten. »Eine solche Regelung ist nur als Bitte oder Empfehlung zu interpretieren«, sagte Upmeyer in Bielefeld.
Nach Angaben der Rechtsexperten vom Immobilienverband Deutschland in Köln kann ein Fußball-Fan, der gegen den Wortlaut des Mietvertrages Flagge zeigt, nur abgemahnt werden. Mit der Fahne für die Klinsmann-Kicker werde weder politisch Stellung bezogen, noch zum Gesetzesbruch aufgerufen. Entsprechend könne der Vermieter weder die Beseitigung der Dekoration verlangen noch dem Mieter kündigen.
Joachim Knollmann vom Mieterbund OWL brachte die Rechtslage gestern so auf den Punkt: »Der Mieter darf keine Parteifahne heraushängen, die Deutschland-Flagge aber schon.« Sind die ins Fenster gehängten Fahnen nicht größer als 60 mal 90 Zentimeter, gibt's meist keine Probleme. »Die Fahne darf anderen Mietern nicht die Sicht nehmen«, warnte Knollmann vor Größenwahn. Andernfalls greife die Fürsorgepflicht des Hausbesitzers für die benachteiligten Mieter, ergänzte Jürgen Upmeyer von Haus & Grund: »Werden Schlaf- oder Wohnzimmerfenster verdeckt, darf der Eigentümer die Fahne untersagen.« Der Paragraf 1004 des Bürgerliches Gesetzbuches liefert die Rechtsgrundlage.
Will der Mieter am Haus eine Halterung für eine Flagge anbringen, braucht er dagegen die Erlaubnis des Hausbesitzers. »Das ist wie bei der Parabolantenne für den Satelliten-Empfang«, erklärte Upmeyer. Hinzu kommt: Der Fußballfan muss sicherstellen, dass Fahne und Mast fest verankert sind (Verkehrssicherungspflicht) und weder Fahrzeuge noch Passanten gefährden.

Artikel vom 10.05.2006