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Rettender Brief
vom Finanzamt

Behörde verzichtet auf 45 000 Euro

Von Christian Althoff
Spenge (WB). 45 000 Euro Steuern sollte der Besitzer eines Lottogeschäftes aus Spenge nachzahlen. Jetzt hat das Finanzamt Herford die Forderung zurückgenommen - weil der Inhaber Opfer einer diebischen Angestellten geworden war. »Damit ist unser Geschäft gerettet!«, strahlt Kurt Sieber.

Die Finanzbehörde hatte den 53-Jährigen und seine Frau Beate (50) in Verdacht gehabt, nicht alle Einnahmen versteuert zu haben. Denn die in den Bilanzen der Jahre 2001, 2002 und 2003 angegebenen Umsätze lagen erheblich unter denen vergleichbarer Lotto- und Schreibwarengeschäfte.
»Schon unser Steuerberater hatte uns damals darauf hingewiesen, dass wir zu wenig Umsatz machten. Wir haben lange über die Ursache gerätselt - bis wir herausfanden, dass die Tageseinnahmen 200 bis 300 Euro unter dem Soll lagen, wenn unsere Verkäuferin alleine im Laden war«, erzählt Kurt Sieber. Mit einer versteckt angebrachten Videokamera hatte das Ehepaar Ende 2004 schließlich nachgewiesen, dass die Frau Beträge oftmals überhaupt nicht in die Kasse tippte und sich das Geld zur Seite legte.
Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren gegen die Frau allerdings zunächst wegen Geringfügigkeit eingestellt, weshalb die Siebers gegenüber dem Finanzamt in Beweisnot gerieten: »Die glaubten uns natürlich nicht, dass uns riesige Summen entgangen waren, und forderten eine Steuernachzahlung von 45 000 Euro!« Deshalb wertete der Anwalt des Ehepaares die Umsätze aller Tage aus, an denen die Verkäuferin an der Kasse gestanden hatte - und kam zu deutlichen Ergebnissen. Hatte die Verkäuferin in zwölf Tagen laut Kassenjournal Tabakwaren für 7765 Euro verkauft, so lagen die Umsätze im gleichen Zeitraum bei 13 000 Euro, wenn Beate Sieber an der Kasse stand. Auch bei anderen Warengruppen ergaben sich ähnliche Differenzen. Insgesamt wurde ein Fehlbetrag von etwa 115 000 Euro errechnet.
Mit diesen Unterlagen beantragte der Rechtsanwalt, die Ermittlungen gegen die Verkäuferin wieder aufzunehmen - mit Erfolg. »Die Frau wurde inzwischen wegen Unterschlagung zu einer Geldstrafe verurteilt«, sagte Oberstaatsanwalt Harald Krahmüller. Und das Finanzamt Herford erkannte den Geldabfluss an. Im jetzt ergangenen Bescheid der Behörde heißt es: »Ausschlaggebend für die Differenzen in der Kalkulation war die Tatsache, dass die Angestellte jahrelang Geld entwendet hatte.« Nach der Entlassung der Frau habe der Umsatz wieder »dem Mittelwert der amtlichen Richtsätze« entsprochen.
»Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen«, sagt Beate Sieber. »Hätten wir wirklich 45 000 Euro nachzahlen müssen - wir hätten unseren Laden schließen können.«

Artikel vom 10.05.2006