10.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bei Götz ist
der Bart ab

George und Manzel im ARD-Drama

Von Carsten Rave
ARD, 20.15 Uhr: Ein Provinzbahnhof, verwilderte Sträucher, der Regionalexpress ist wieder abgefahren. Zurück bleibt ein Mann auf dem Bahnsteig, der in flirrender Hitze einen Schnaps aus dem Plastikbecher trinkt.

Es ist Dr. Robert Stubenrauch, Gewerkschaftsfunktionär, der die Arbeiter eines von der Schließung bedrohten Zementwerks retten soll. Eine Mission, die er lustlos antritt. Bald aber erkennt er seine alten Kämpferqualitäten.
Götz George, der mehr als 150 Filme gedreht hat, ist dieser Dr. Stubenrauch. Die Rolle ist deswegen ungewöhnlich, weil der 67-Jährige ohne Schnauzer oder Dreitagebart und mit relativ kurzen Haaren auftritt. Veranlasst hat diesen kleinen Imagewechsel bei George, der sonst in seiner »Schimanski«-Darstellung langhaarig und mit Bartwuchs vor die Kamera tritt, Regisseur Andreas Kleinert, der den Film »Als der Fremde kam« inszeniert hat.
Kleinert habe verlangt, die Haare müssten kürzer sein und der Bart müsse ganz ab. »Da war kein Widerspruch möglich«, sagt George. »Ich fühlte mich ohne Bart ganz unbeholfen, und das überträgt sich dann auf die Rolle. Ich wurde immer verklemmter und genau das wollte Andreas haben. Man weiß ja, dass ich ein eher introvertierter Mensch bin, und der Bart ist im Grunde ein Schutz. Den hat mir Andreas genommen, aber das ist gut für den Film.«
Während Stubenrauch den schweren Kampf gegen drohende Stellenstreichungen aufnimmt und die Belegschaft in den Hungerstreik tritt, kommen er und Anne Wernicke (Dagmar Manzel), die Ehefrau des Arbeiters Mathias (Christian Redl), sich näher. Mit der Zeit verbindet die beiden eine heimliche Liebe, die nicht nur die Solidarität der beiden Männer auf eine harte Probe stellt, sondern allen grundsätzliche Lebensentscheidungen abverlangt. So steht auf einmal sehr viel für Stubenrauch auf dem Spiel nicht nur beruflich, sondern auch privat.
Für Kleinert, der mit Dagmar Manzel schon in der Fernsehserie »Klemperer - ein Leben in Deutschland« zusammenarbeitete, war die Geschichte deswegen spannend, »weil man eine politische Geschichte verbinden kann mit einer sehr privaten Veränderungsgeschichte und dass beides so eng miteinander verwoben ist.«
Das Intermezzo zwischen Anne und Dr. Stubenrauch geht bis zum Schluss des Films weiter. Die zentrale Frage ist: Können Sie die Grenzen, die ihnen ihr Leben setzt, überwinden? Anne geht weit, sehr weit, aber zum Schluss überkommen sie Zweifel.

Artikel vom 10.05.2006