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Steuerzahler Dr. Ernst Weiland, 21220 Seevetal

»Immer wieder lautet die Devise: Gerecht ist, wenn's ein anderer zahlt.«

Leitartikel
Deutschland 2006

Muss das alles denn
so sein?


Von Rolf Dressler
Es ist Vorsicht geboten, wenn in einem Land allzu viele Wortklingler unterwegs sind mit der Parole von der »sozialen Gerechtigkeit«. Könnte es denn sein, dass nicht nur die nachteiligen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen, sondern auch eine solche schwülstige Kollektivmoral so manchem Deutschen die angestammte Heimat verleidet?
Kollektive Einheitsmoral kann es je ebensowenig geben wie ein versammeltes Denken, Fühlen und Wollen. Und was es mit der marxistischen Verheißung eines Kollektiveigentums auf sich hatte, das mussten in der kommunistischen Tyrannei hunderte Millionen Menschen am eigenen Leibe bis zur Neige und darüber hinaus auskosten.
Noch haben Deutschlands Chefstatistiker im Wiesbadener Bundesamt ihre Datensammlung für 2005 nicht vollständig erhoben, gesichtet und ausgewertet. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass vom 1. Januar bis zum 31. Dezember vorigen Jahres wohl mindestens 170 000 bis 180 000 Deutsche ihrem Land den Rücken kehrten. Tendenz: anhaltend. Im Jahr zuvor hatten gut 150 000 diesen Schritt getan.
Naturgemäß sind die persönlichen Beweggründe sehr unterschiedlich. Gleichwohl aber fällt auf, dass immer öfter und deutlich überwiegend sehr konkrete berufliche Motive den entscheidenden Ausschlag geben. Die USA, Neuseeland, Australien, die Schweiz und andere wirken heute höchst anziehend nicht mehr »nur« auf Wissenschaftler, Forscher und Mediziner der absoluten Spitzenklasse. Jetzt schreiben sogar aufstrebende, ungleich kleinere Länder wie zum Beispiel Spanien und Norwegen zu abertausenden attraktive und zukunftsträchtige Stellen aus. Und sie zielen dabei - mit Erfolg - vorzugsweise auf gut und sehr gut ausgebildete deutsche Fachkräfte.
Denn für viele von ihnen ist das Maß offenkundig voll. Was die Abkehr von Deutschland leichter macht, ist unschwer zu erahnen. Man höre nur aufmerksam auf Volkes und Abwanderers Stimme:
- In Deutschland trägt allein das obere Zehntel aller Steuerzahler 53 Prozent der Gesamtsteuerlast. Dennoch folgt (Neid-) Kampagne auf Kampagne gegen »die Besserverdienenden«.
- Schon gegen geringfügig längere Arbeitszeiten werden wochenlange Streiks zu Lasten aller vom Zaun gebrochen.
- Kein (Gewerkschafts-)Mensch aber spricht mit Bedauern etwa über junge Architekten (Achtung, die Besserverdiener von morgen...!), wenn sie bereitwillig, ohne Murren und ganz selbstverständlich einen Anstellungsvertrag unterschreiben, der eine Wochenarbeitszeit von 45 Stunden umfasst bei einer Kündigungsfrist von ganzen 14 Tagen zum Monatsende.
Ein Unternehmer aus Braunlage im Harz schloss unlängst seinen erfolgreichen Betrieb, sein Lebenswerk. Er sei restlos bedient von einer Politik »überbezahlter Laienspieler, die oft nicht mal die Grundrechenarten beherrschen«, schrieb er im Magazin »Focus«.
Das war's. So ist es. Muss das aber alles so sein?

Artikel vom 10.05.2006