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Geburtstagsfeier endet tödlich

Polizist erschieß Albaner - »Opfer wollte nur Freudenschüsse abfeuern«

Von Christian Althoff
Lage (WB). Der Albaner Demo Elmazi (41), der Samstag in Lage (Kreis Lippe) von einem Polizisten erschossen worden war, ist möglicherweise Opfer eines tragischen Irrtums geworden. Wie seine Familie gestern sagte, habe er nachts mit einer Schreckschusspistole Freudenschüsse zum Geburtstags eines Sohnes abgeben wollen. Ein Polizist hatte sich jedoch bedroht gefühlt und geschossen.
Arben wurde 20 Jahre, seine Geburtstagsfeier endete am Samstag mit dem Tod des Vaters.
Vater, Mutter, zwei Söhne und vier Töchter im Alter zwischen elf und 23 Jahren: die albanische Flüchtlingsfamilie lebte seit etwa drei Jahren in einem Einfamilienhaus in Lage-Waddenhausen. Schon mehrfach hatten sich Anwohner beschwert, wenn Demo Elmazi die Musik zu laut gestellt hatte - so auch am Samstag. Nachbar Stefan S. rief gegen 22.30 Uhr bei der Polizei an, die sofort einen Streifenwagen schickte.
Familie Elmazi feierte zu dieser Zeit mit lauter Musik den Geburtstag des zweitältesten Sohnes Arben. »Er war am Tag zuvor 20 Jahre alt geworden«, sagte gestern sein Bruder Habib (23). Als der Streifenwagen eintraf, soll Demo Elmazi alleine am Grill auf der Terrasse im Hof des Hauses gestanden haben. Nach Auskunft der Angehörigen war seine Ehefrau Selveta (39) gerade im Badezimmer, um die jüngste Tochter für die Nacht fertigzumachen, und Sohn Arben hielt sich im Haus auf, um einen Fotoapparat zu holen. Da fiel draußen der Schuss.
Nach Angaben der Polizei hatten die beiden Streifenbeamten den dunklen Terrassenhof betreten, wo sie auf Demo Elmazi trafen. »Der Mann hielt eine Schusswaffe in der Hand«, sagte Polizeisprecher Thorsten Beine. Daraufhin habe einer der Polizisten, »ein erfahrener Beamter«, die Dienstwaffe gezogen und gefeuert. Für das Opfer kam jede Hilfe zu spät. Ob der Albaner die Pistole in Richtung der Beamten gehalten oder sie »nur« in der Hand hatte - dazu wollen sich die Ermittler bisher nicht äußern.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater die Polizisten bedroht hat«, sagte der älteste Sohn Habib Elmazi (23).
Sein Vater sei eher zurückhaltend. »Seit einem Schlaganfall vor zwei Jahren hat er auch nur noch auf Familienfeiern Alkohol getrunken.« Auch am Samstag seien es allenfalls »ein paar Bier« gewesen.
Der Bruder des Getöteten sagte, es sei auf dem Balkan üblich, bei Feiern in die Luft zu schießen: »Nur deshalb besaß mein Bruder die Schreckschusspistole.« Möglicherweise hatte Demo Elmazi diese Waffe bereits am Freitag, dem eigentlichen Geburtstag, abgefeuert, denn Nachbarin Olga H. hatte an jenem Tag gegen 18 Uhr zwei Schüsse gehört.
Die Familie Elmazi ist noch am Wochenende in einer anderen Wohnung untergebracht worden. »Man kann den Kindern nicht zumuten, in das Haus zurückzukehren, vor dem ihr Vater verblutet ist«, sagte der Bruder des Verstorbenen.
Ob der Polizist in Notwehr geschossen hat, versucht seit Samstag eine Ermittlungskommission aus Detmolder und Bielefelder Beamten aufzuklären. Dies könne aber noch dauern, sagte gestern Oberstaatsanwalt Dieter Varnholt.
Von den 40 000 Polizisten in NRW haben im vergangenen Jahr 17 ihre Dienstwaffe gegen Menschen gezogen. Dabei gaben sie elf Warnschüsse in die Luft ab. Sechs Mal schossen sie gezielt auf Menschen oder Fahrzeuge, in denen Menschen saßen. Dabei wurden 2005 ein Mann getötet und zwei verletzt.

Artikel vom 09.05.2006