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Volle Pferdestärke voraus zur WM

Kunstturnen: Spiridonov hofft nach EM-Silber auf weitere Erfolge

Volos (dpa). Auf seinen größten Erfolg stieß er mit Büchsen-Cola an, dann sprudelte es aus dem sonst so schüchternen Eugen Spiridonov nur so heraus.

»Ich bin so glücklich, in Deutschland leben zu dürfen. In Russland wäre ein solcher Erfolg wahrscheinlich nie Wirklichkeit geworden«, sagte der 24-jährige Blondschopf beim Abschlussbankett der Turn-Europameisterschaften im griechischen Volos.
Zuvor hatte er mit einer soliden und sauber ausgeführten Übung am Seitpferd allen Favoriten ein Schnippchen geschlagen und - kaum für möglich gehalten -Êdie Silbermedaille erkämpft. Es war das 70. Edelmetall deutscher Männer bei kontinentalen Titelkämpfen. »Nie hätte ich vorher an eine solche Top-Platzierung geglaubt, aber geträumt habe ich schon mal davon«, gestand der kleine Strahlemann in fließendem Deutsch.
Vor fünf Jahren war der im russischen Tscheljabinsk geborene Allrounder mit zwölf weiteren Familien-Mitgliedern nach Deutschland übergesiedelt. »Mein Oma Degenhard ist Deutsche. Sie hat uns alle aufgefordert, mit ihr in die neue Heimat umzusiedeln«, berichtete der als Jewgeni zur Welt gekommene Eugen. Mehr als fünf Jahre habe die Familie auf die Einbürgerung gewartet, seit seinem 19. Lebensjahr lebt er nun im Saarland. Als er seine Lebensgeschichte erzählt, blitzen seine Augen voller Freude. Doch dann verzieht er überraschend die Miene. »Das erste Jahr in Deutschland war nicht so schön. Die Zeit im Auffanglager Dudweiler war hart, wir lebten auf engstem Raum. Aber auch in diesen Monaten habe ich nie das Training vernachlässigt.«
Beim TV Bous wurde der russische Junioren-Meister von Paul Rupp und Viktor Schweitzer zum Spitzenturner geformt und 2004 in die Sportfördergruppe Stuttgart der Bundeswehr aufgenommen. Sechs bis acht Stunden täglich trainiert »Spiri« im Leistungszentrum Stuttgart.
Intensive Sprachkurse beanspruchten in den vergangenen Jahren einen großen Teil seiner Freizeit. Auch das Fernstudium als Diplom-Sportlehrer, das er 1999 noch in Russland startete, verlor er nie aus den Augen. Im Juni darf er sich auf das Diplom freuen. Und dann hat der kleine Blonde im Oktober noch ein großes Ziel: »Bei der WM in Aarhus will ich mindestens Platz acht im Mehrkampf erreichen.«

Artikel vom 09.05.2006