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Steuern

Der Bierdeckel ist vergessen


Es war einmal ein Mann namens Friedrich Merz. Der wollte das Steuerrecht so vereinfacht wissen, dass die Einkommenssteuererklärung auf einen Bierdeckel passe. Die Union war begeistert.
Nicht minder viel Applaus spendete die Union dem Steuerexperten und Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Dessen Idee: einheitliche Steuersätze für jedermann.
Gegen Kirchhofs »Flat tax« lief die SPD im Wahlkampf Sturm. Das sei Beutelschneiderei bei den »kleinen Leuten«, die den Sozialdemokraten doch so sehr am Herzen lägen.
Alles längst vergessen. In seltener Eintracht greifen SPD und Union dem Bürger in die Tasche. Fahrtkostenpauschale bis 20 Kilometer gestrichen, Arbeitszimmer nicht mehr absetzbar, Sparerfreibeträge halbiert: Wer, wenn nicht die »kleinen Leute«, werden die Zeche zahlen?
Die sogenannten Reichen jedenfalls nicht. Die Zusatz-Steuer für Superverdiener wird Bundesfinanzminister Peer Steinbrück gerade einmal 127 Millionen Euro zusätzlich bescheren.
Sollte die Reichensteuer als Trostpflaster für die Linken in der SPD gedacht gewesen sein, so hat sie ihre Wirkung verfehlt. Zum SPD-Parteitag am Sonntag wird sich Steinbrück warm anziehen müssen.
Eine wirkliche Steuerreform ist nicht in Sicht, ebensowenig ein Konzept zum Schuldenabbau. Den großen Wurf ist die große Koalition - wieder einmal - schuldig geblieben
Andreas Kolesch

Artikel vom 11.05.2006