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50 Prozent weniger Mütterkuren

Eva Köhler ruft zu Spenden auf - Berlin macht Druck auf Krankenkassen

Von Reinhard Brockmann
Berlin/Paderborn (WB). Zu Beteiligung an der Sammlung des Müttergenesungswerks in dieser Woche hat Schirmherrin Eva Luise Köhler aufgerufen. Sowohl die Spenden als auch die Kuranträge haben sich halbiert.

»Wir wissen, dass viele Frauen dringend eine Kur benötigen«, schreibt die Frau des Bundespräsidenten in ihrem Sammlungsaufruf zum Muttertag am kommenden Sonntag. Viele Mütter brauchten für die dringend fällige Erholung eine finanzielle Unterstützung aus Spendengeldern.
Die Kuren in Einrichtungen des Müttergenesungswerkes werden inzwischen zwar von den Krankenlassen voll finanziert. »Dennoch fällt es vielen Familien schwer, den gesetzlichen Eigenanteil zu tragen, erklärte Klaus Tintelott, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für Müttergenesung im Erzbistum Paderborn. In diesem Bereich erhielten 145 Frauen mit 298 Kindern 2005 einen Zuschuss aus Sammlungsgeldern. Im Erzbistum beteiligen sich Caritas-Konferenzen, katholische Frauengemeinschaft und Frauenbund an der Straßensammlung.
Viele Frauen, die überlegten, eine Kur in Anspruch zu nehmen, seien nicht nur wegen der finanziellen Belastung verunsichert, sagte Tintelott dieser Zeitung weiter. Die ersten Fragen beträfen häufig die Sorge um den Haushalt, die Betreuung der Kinder in einer Mutter-Kind-Maßnahme und Schulfragen. Auch hätten die Hausärzte oftmals nicht die Zeit, gemeinsam mit den Frauen alle Anforderungen und Formulare zu besprechen.
Es erfordere Kraft, einen Antrag für eine Kur zu stellen. »Kraft, die viele Frauen nicht haben«, so Tintelott. Bei der Caritas würden in der Regel zwei bis drei Vorbereitungstermine mit den betroffenen Müttern vereinbart, bis alle Details geklärt sind.
Auf der politischen Ebene gibt es unterdessen eine äußerst kontroverse Auseinandersetzung zwischen Krankenkassen und Gesundheitsministerium um die Ursachen für den dramatischen Rückgang der Kuranträge. Seit dem Höchststand im Jahr 1999 hat sich die Zahl genehmigter Mütterkuren im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf 117 000 im Jahr 2005 halbiert.
Einen Bericht der Spitzenverbände der Krankenkassen, wonach der Rückgang lediglich aufgrund geringerer Antragstellung erklärt wird, hat das Ministerium als lückenhaft eingestuft. Der drastische Rückgang sei weiter »klärungsbedürftig« heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums Anfang April. In dem Bericht fehlen Zahlen über nicht erteilte Genehmigungen. Die Kassen erklären, es würden »keine entsprechenden Statistiken geführt«. Aber auch die Gesetzlichen Kassen stellen fest: »Da sich die Zugangsvoraussetzungen nicht geändert haben, müssen andere Gründe für die rückläufige Inanspruchnahme gesucht werden.«
Maßgeblichen Einfluss hätten die 2002 eingeführten neuen Zuzahlungsregelungen, heißt es. Zurückhaltung werde beobachtet bei sozial benachteiligten Müttern und Vätern, die sich nicht mehr im Voraus von den Zuzahlungen befreien lassen können. Bis zu 2 Prozent des Einkommens müssen sie nunmehr als Eigenanteil tragen. Auch die gesamtwirtschaftliche Situation, wie Angst um den Arbeitsplatz oder Arbeitslosigkeit des Partners, halte viele Mütter von der Kur ab. Die Kassen beklagen darüber hinaus Unstimmigkeiten durch eine Vielzahl unterschiedlicher, teils veralteter Antragsformulare. Ein neuer einheitlicher Antragsentwurf aller Kassen werde von datenschutzrechtlichen Einwänden blockiert.

Artikel vom 09.05.2006