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Tony Blair

»Jetzt einen Zeitplan (für den Rücktritt) aufzustellen, würde das Land schädigen.«

Leitartikel
Kraftprobe mit links

Blair bleibt:
erst Prügel, dann basta


Von Reinhard Brockmann
Vom blutigen Frühstück (bloody breakfast) am Freitagmorgen über die lahme Ente (lame duck) am Wochenende bis zum Prügelopfer (badly rattled) haben britische Medien in diesen turbulenten Tagen keinen Mangel an drastischen Begriffen für Tony Blair und dessen Befindlichkeit. Aber auch weniger deftig lässt sich das politische Beben beschreiben.
Nach dem Absturz eines britischen Hubschraubers im Irak mit fünf toten Soldaten und der totalen Niederlage bei den Kommunalwahlen steht der Premier mächtig unter Druck. 52 Abgeordnete der eigenen Partei fordern ihren Regierungschef in einem Brief auf, einen Termin für seinen Rücktritt zu nennen. Das wäre hierzulande selbst in Gerhard Schröders letztem Achterbahnjahr unvorstellbar gewesen. Die Übergabe der Macht solle »würdig, geordnet und effektiv« gestaltet werden, heißt es - very british - unterkühlt bei den Abtrünnigen.
Hinter alledem stehen die Forderungen der Linken, die Marktreformen stoppen und die gute alte Arbeiterpartei »old Labour« restaurieren wollen. Unangenehm ist die Lage selbst für Blairs Kronprinz, Schatzkanzler Gordon Brown. Ausreißer dürften nicht den Zeitplan bestimmen, moserte der reichlich hilflos.
Blairs rigorose Kabinettsumbildung war noch nicht der erhoffte Befreiungsschlag. Sie schreckte die Briten aber mit Erinnerungen auf, die als »Nacht der langen Messer« unter Premier Harold Macmillan 1963 in die Annalen einging. Blair hat nämlich die weiblichen Minister ausgespart, die Männer im Kabinett dafür fast reihenweise mindestens einen Kopf kürzer gemacht. Wer aus der Reihe getanzt war, wurde unsanft fallengelassen.
Seine Lady-Liga behandelt der Premier auch im zehnten Amtsjahr dagegen mit Glacéhandschuhen: Die Kulturministerin, obwohl mit dem Firmenimperium von Silvio Berlusconi verbandelt, durfte ebenso bleiben wie die Gesundheitsministerin, die sich den Zorn tausender ansonsten handzahmer Krankenschwestern eingehandelt hatte. Selbst die angezählte Erziehungsministerin musste lediglich seitwärts treten, und die, wie britische Zeitungen so schön schreiben, »arithmetisch wenig begabte« Fraktionschefin überlebte das Massaker.
Für Brown demütigend setzte Blair weitere ihm treu ergebene Frauen auf Schlüsselpositionen, die der Nachfolger seinem Anhang bald selbst gern überlassen hätte. Geschäftsführerin der Labour-Partei wurde Hazel Blears, eine der treuesten unter den Treuen. Der Blair-freundliche »Daily Telegraph« verspottete die Beförderung als »Triumph der Loyalität über die Fähigkeit zu eigenem Denken«.
Dennoch könnte Blair die Krise bald gemeistert haben. Wenn er es schafft, à la Müntefering den Linken mit Machtworten und »Opposition ist Mist« Wind aus den Segeln zu nehmen, wird er alles das noch erledigen, was er sich vorgenommen hat. Auch deutsche Medien hätten dann für so etwas den passenden Begriff: »Basta-Politik«.

Artikel vom 09.05.2006