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Sparkassen lehnen ihre Privatisierung ab

Aufgabe des »Drei-Säulen-Modells« wäre auch zum Nachteil des gesellschaftlichen Engagements

Von Hans-Georg Vogt
Bielefeld (WB). Allmählich gewinnt der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland an Fahrt - auch hier in Ostwestfalen-Lippe. Die Menschen und die Unternehmen unserer Region nehmen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen an und wollen sie aktiv meistern.

Doch dazu brauchen sie einen Partner, der ihnen in finanziellen Fragen Sicherheit und Orientierung gibt. Die Sparkassen sind dieser Partner. Als leistungsstarke, fest in unserer Region verankerte Kreditinstitute ermutigen sie die Menschen und Unternehmen, den Weg der Veränderungen mitzugehen und die eigenen Möglichkeiten zu nutzen.
Die Sparkassen übernehmen auch in dieser Zeit des Umbruchs erneut Verantwortung. So, wie sie es hier in Ostwestfalen-Lippe seit mehr als 200 Jahren tun. Die Menschen haben die Erfahrung gemacht, dass sie sich auf die Sparkassen immer verlassen können. Daher sind es für die meisten Deutschen vor allem die Sparkassen, auf denen sie in Umbruchzeiten vertrauen - mehr als allen anderen Kreditinstituten. Nach einer aktuellen Meinungsumfrage des Forschungsinstitutes Forsa trauen 39 Prozent der Deutschen am ehesten den Sparkassen zu, möglichst vielen Menschen und Unternehmen Unterstützung und Rückhalt in Umbruchzeiten zu geben. Bei den Großbanken beträgt dieser Wert gerade einmal 14 Prozent.
Dies kann kaum verwundern. Denn gerade in den vergangenen, wirtschaftlich schwierigen Jahren mussten sie erleben, dass es in vielen Fällen nur die regional verwurzelten Kreditinstitute - die Sparkassen und auch die Genossenschaftsbanken - waren, die an ihrer Seite standen. Andere Kreditinstitute haben sich in diesen Jahren weitgehend aus der Fläche zurückgezogen und sich insbesondere aus dem Geschäft mit der breiten Privatkundschaft verabschiedet. Jetzt, wo sich die Anzeichen einer wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung mehren, sind sie plötzlich wieder da. Dies sei nicht als grundsätzliche Kritik missverstanden, entspricht es doch dem vollkommen legitimen Geschäftsprinzip der Gewinnmaximierung für die Anteilseigner dieser Kreditinstitute. Nach diesem Prinzip werden Geschäfte eben dann und dort getätigt, wo sie eine maximale Rendite garantieren.
Aber hier zeigt sich auch der wesentliche Unterschied zu den öffentlich-rechtlichen Sparkassen. Die Sparkassen, mit ihrem gesetzlich verankerten Regionalprinzip, können sich nicht aus einer Region verabschieden, wenn es dort wirtschaftlich einmal nicht läuft - und sie wollen es auch gar nicht. Sie garantieren eine flächendeckende Versorgung mit Finanzdienstleistungen in ganz Deutschland für alle Unternehmen und für alle Menschen, unabhängig von deren Einkommens- und Vermögenslage.
Dieses Engagement in den Regionen ist gelebte Geschäftsphilosophie der Sparkassen. Damit sind sie neben den genossenschaftlich organisierten Kreditinstituten und den Privatbanken einer der wesentlichen Bestandteile dessen, was man als das »Drei-Säulen-Modell« der deutschen Kreditwirtschaft bezeichnet. Gemeinsam haben die Kreditinstitutsgruppen im Rahmen dieses Systems einen wesentlichen Beitrag für die wirtschaftliche Stabilität und den Wohlstand unseres Landes geleistet.
Umso bedauerlicher ist es daher, dass dieses Erfolgsmodell heute insbesondere von Verbandsvertretern der privaten Banken in Frage gestellt wird. Da wird die Möglichkeit zur Privatisierung von Sparkassen gefordert, oftmals mit dem vordergründigen Argument, man müsse deren kommunalen Trägern ermöglichen, »frei« über ihr Eigentum zu verfügen. Tatsächlich geht es aber darum, die selbstverschuldete Schwäche im Retailbanking und im mittelständischen Firmenkundengeschäft durch den Kauf von Sparkassen und deren Kundenverbindungen zu überwinden. Die Finanznot der kommunalen Träger ist dabei nur ein willkommener Vorwand. Die Nachteile einer Privatisierung von Sparkassen bekämen jedoch die Menschen vor Ort und die Träger der Sparkassen selbst sehr bald zu spüren. Nicht nur, dass in einem solchen Fall viele der heute noch mehr als 8000 qualifizierten Arbeits- und mehr als 500 Ausbildungsplätze bei den Sparkassen in Ostwestfalen-Lippe bedroht wären; nicht nur, dass Gewerbesteuereinnahmen und Ausschüttungen aus den Sparkassengewinnen in großem Umfang wegbrechen würden, die den Trägern bislang unmittelbar und langfristig zugute kommen. Privatisierte Sparkassen könnten vielmehr eine wesentliche Funktion nicht mehr erfüllen, die heute für sie kennzeichnend ist: das Engagement für ihre Standorte über das Geschäftliche hinaus.
Die Sparkassen gehören heute auch in Ostwestfalen-Lippe zu den größten Förderern von Kunst, Kultur, Sport, Umwelt und sozialen Belangen. Viele Projekte, viele Initiativen, viele Veranstaltungen wären auch in unserer Region ohne die Sparkassen kaum durchführbar. Privatisierte Sparkassen als Teile internationaler Bankkonzerne hätten an einem solchen Engagement keinerlei Interesse, da es nicht der Gewinnmaximierung dient. Darum wehren sich die Sparkassen auch vehement dagegen, den Markenschutz der »Marke Sparkasse« zu durchbrechen, wie dies derzeit von manchem gefordert wird. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass da, wo Sparkasse drauf steht, auch Sparkasse drin ist - nämlich engagierte, regional verankerte und ihrem öffentlichen Auftrag verpflichtete Kreditinstitute. Ohne öffentlich-rechtliche Sparkassen wäre Deutschland ärmer. Auch Ostwestfalen-Lippe.

Artikel vom 18.05.2006