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Regierung bittet zur Kasse

Neue Belastungen für die Steuerzahler - Verfassungsstreit droht

Berlin (dpa). Millionen Steuerzahler müssen vom nächsten Jahr an mit neuen Belastungen rechnen - Spitzenverdiener werden zusätzlich zur Kasse gebeten. Das Bundeskabinett hat gestern in Berlin die Pläne für die umstrittene Reichensteuer beschlossen.
Der Entwurf für das »Steueränderungsgesetz 2007« sieht zudem eine weitere Kürzung der Pendlerpauschale und des Sparerfreibetrags vor. Geplant sind ferner Einschnitte bei der Absetzbarkeit privater Arbeitszimmer.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) erhofft Steuermehreinnahmen von bis zu 5,4 Milliarden Euro jährlich. Steuerexperten und Juristen warnten vor verfassungsrechtlichen Risiken, Verbände drohten mit Klage. Dabei geht es nicht nur um die Reichensteuer. Umstritten sind auch die Pläne zur Pendlerpauschale. Die FDP sprach von einer einmaligen »Steuererhöhungsorgie«. Die Maßnahmen sollen zusammen mit der ebenfalls 2007 geplanten Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent in Kraft treten.
Größter Brocken ist eine Kappung der Pendlerpauschale. Künftig sind Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit erst vom 21. Kilometer als Werbungskosten steuerlich absetzbar. Es bleibt bei 30 Cent pro Kilometer für die einfache Wegstrecke.
Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine kündigte an, gegen die Pläne »bis hin zum Bundesverfassungsgericht« klagen zu wollen. Laut Steuerzahlerpräsident Karl Heinz Däke wird mit den Einschnitten an der Pendlerpauschale bewusst Verfassungsverstoß in Kauf genommen.
Stein des Anstoßes sind Steinbrücks Pläne, das »Werkstorprinzip« einzuführen, nach dem alle Aufwendungen, um zur Arbeit zu gelangen, zum privaten Bereich zählen und damit steuerlich irrelevant sind. Steinbrück will so Klagen vermeiden.
Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, dass Ausgaben für das häusliche Arbeitszimmer nur noch dann beim Fiskus berücksichtigt werden, »wenn es den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet«. Zugleich wird der Sparerfreibetrag auf 750 Euro für Ledige und 1500 Euro für Eheleute etwa halbiert. Zudem soll das Kindergeld nur noch 25 statt 27 Jahre gezahlt werden.
Bei der Reichensteuer hat Steinbrück gegen Proteste aus der SPD eine abgespeckte Variante durchgesetzt. Um eine verfassungsfeste Regelung zu erreichen, wird 2007 nur bei viel verdienenden Angestellten mit Jahreseinkommen von mehr als 250 000 Euro (Verheiratete 500 000) der Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent angehoben. Befreit werden alle Gewinneinkünfte sowohl von Selbstständigen als auch Freiberuflern. 2008 sollen alle Top-Verdiener einbezogen werden.
Verbraucherschützer befürchten überdurchschnittliche Preisanstiege und massive Mitnahmeeffekte des Handels im Zuge der Mehrwertsteuer-Erhöhung. Die Euro-Einführung 2002 habe gezeigt, dass der Handel bereits vor einer Umstellung Preise anhebe, erklärte Edda Müller, Vorstandschefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. So hatte der Deutsche Brauer-Bund vor einigen Tagen angekündigt, dass die meisten Brauereien die Steuererhöhung bereits jetzt vorweggenommen hätten. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 11.05.2006