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Tritte gegen den
Ball als Ritual

Ausstellung für japanisches Spiel

Offenbach (dpa). Schon die japanischen Samurai kickten. Sie übten sich in Kemari oder Tritt-Ball, um in Form zu bleiben. Nicht Tore zählten, sondern die Kunst, mit geschickten Tritten den Ball möglichst lange in der Luft halten.

An die 4000 Mal je Spiel soll dies den Vorgängern von Ballack und Co. gelungen sein. Das Deutsche Ledermuseum gibt von diesem Samstag an bis 16. Juli erstmals Einblick in seine Sammlung zum ältesten japanischen Fußballspiel. Kemari war schon im 7. Jahrhundert bekannt. Es wird bis heute an Festtagen im Januar und Juli aufgeführt.
Das historische Mannschaftsspiel war und ist kein Volksvergnügen. »Kemari ist rituell-religiös unterlegt und wurde am Kaiserhof in Kyoto, vom Adel und den Samurai ausgeübt.
Shinto-Priester betrieben es zum Wohlergehen von Land und Volk und für die Fruchtbarkeit der Felder«, erzählt die Sinologin Annette Bügener. Sie entdeckte die Exponate vor Jahren in einer verstaubten Kiste im Museumsmagazin. Möglicherweise diente das Spiel einst als Orakel für den Verlauf des Jahres.
Der Ball durfte ausschließlich mit dem Fußspann von Spieler zu Spieler befördert werden. Handspiel, Rempeleien oder gar Versuche, den Gegner auszutricksen, waren streng verpönt. »Unter dem Gewicht der schweren Seidenkleidung wären Berührungen auch kaum machbar«, sagt Museumsdirektor Christian Rathke schmunzelnd. Außerdem habe Kemari den Gemeinschaftssinn gestärkt. Für den richtigen Effet des Spielgeräts sorgten die »Entenschuhe« mit extra breit geformter Spitze.
Zu den Prunkstücken der Offenbacher Präsentation gehören ein moderner Kemari-Ball und zwei historische Holzschnitte. Einer diente ursprünglich als ausfaltbares Kopfkissenbild. »Normalerweise stellen sie erotische Szenen dar, aber unser Bild zeigt eine Kemari-Darstellung. Das ist sehr selten«, beschreibt Rathke das Bild aus dem 18. Jahrhundert. Über den Sinn mutmaßt der Museumschef: Ein Mann habe seiner Frau das Spiel erklären wollen.

Artikel vom 06.05.2006