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Georgen-Kita darf man nicht schließen


Zur Berichterstattung über die Schließung der Kindertagesstätte am Botanischen Garten ging der folgende Leserbrief ein:
Wie zutreffend dargestellt, kann im Viertel um den Botanischen Garten von einem Rückgang der Kinderzahlen keine Rede sein. Nach Zahlen, die die Stadt den Eltern zur Verfügung stellte, erreichen in 2007 und 2008 jeweils 40 Prozent mehr Kinder jenes Alter, in dem sie einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz haben, als in diesem Sommer 2006. Und das sind nur die hier geborenen, die vielen neu ins Viertel gezogenen sind nicht einmal erfasst. Damit könnte unser Wohnviertel ein Vorbild für Deutschland sein - jetzt soll ihm die einzige Tageseinrichtung für Kinder genommen werden.
Welche Argumente für die Schließung des Kindergartens bleiben? Katastrophale Finanzen der Kirche? Da will ein Wirtschaftunternehmen die Gemeinde bei den Kosten für die Einrichtung nachhaltig entlasten, sie lehnt jedoch ab, weil sie eine geforderte Bestandsgarantie nicht abgeben mag. Andererseits rechnet sie uns Eltern vor, was die Richard-und-Ida-Kaselowsky-Stiftung der Familie Oetker für die Renovierung und Modernisierung der Einrichtung am Hortweg locker machen soll, in der die Kinderarbeit der Martini-Gemeinde demnächst konzentriert werden soll. Und was, wenn die Stiftung ihr Geld auch nicht ohne eine Bestandsgarantie verpulvern will?
Wundert es die Verantwortlichen wirklich, dass viele Eltern nur noch einen Grund für die Schließung ihrer Kita erkennen? Hier kann die Gemeinde, die schon bei der Verpachtung der ehemaligen Martinikirche - heute Restaurant »Glückundseligkeit« - Geschäftssinn bewies, noch einmal Kasse machen. Der Vorsitzende des Presbyteriums weist das natürlich weit von sich und erklärt, nur das Wohl der Kinder habe man im Auge gehabt, als man den Beschluss fasste, ihnen ihren geliebten Kindergarten zu schließen. Meint er denn, all die Eltern, die so unvernünftig sind, den Erhalt der Einrichtung zu fordern, denken nicht an das Wohl ihrer Kinder?
Aber nicht nur als Vater sondern auch als Mitglied der Gemeinde verstehe ich die Entscheidung nicht. Warum gibt meine Kirche ohne Not ihr letztes Standbein im Georgen-Viertel auf? Es gab konstruktive Konzepte, die Räumlichkeiten auch für andere Gemeindezwecke vorzuhalten. Wurden die geprüft und diskutiert? Ist die Einrichtung jedoch einmal weg, ist sie unwiederbringlich verloren. An dieser Stelle erzählen die »Alten« der Gemeinde dann gern Geschichten von der schmerzvollen Fusion der ehemals selbständigen Gadderbaumer Kirchengemeinden, sie schwelgen in den Sagen von der verlorenen Schlacht um die Georgen-Kirche. Sie sind so mit dieser Vergangenheit beschäftigt, dass sie nicht sehen, wie sich das Viertel wandelt. Wie es sich mit neuem Leben füllt, darunter viele junge Christen, die nicht an dieser Vergangenheit und erst recht nicht an den daraus resultierenden Empfindlichkeiten, sondern an einer Zukunft in einem lebendigen Wohnumfeld interessiert sind. Mit der Entscheidung, sich ganz aus dem Georgen-Viertel zurück zu ziehen, verpasst die Martini-Gemeinde jede Chance, in diesem sich revitalisierenden Viertel die Menschen wieder anzusprechen Mit ihrer einstimmigen (!) Entscheidung gegen die Kita, gegen die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden und gegen das Georgen-Viertel haben die Presbyter der Abwärtsspirale, in der sich die Gemeinde befindet, neuen Schwung gegeben.
Schade. Chance verpasst. Aber auch Presbyter wollen irgendwann wieder gewählt werden, spätestens dann gibt es Chancen für Korrekturen.
HANS KLÜCHEBielefeld

Artikel vom 11.05.2006