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Eine spannende Zeitreise nach Canossa

Paderborn untersucht die Folgen des Machtkampfes zwischen der Kirche und dem Königtum

Von Manfred Stienecke
(Text und Fotos)
Paderborn (WB). Genau 900 Jahre nach dem Tode von Heinrich IV. wird der Bußgang des deutschen Königs nach Canossa erstmals Gegenstand einer großen Mittelalter-Schau.
Kniefall des Königs vor dem Papst als Relief in Canossa.

Paderborn zeigt vom 21. Juli bis zum 5. November anhand dieses historischen Ereignisses die »Erschütterung der Welt« auf. »Um Canossa ist bisher immer ein großer Bogen gemacht worden«, skizziert der Leiter des Museums in der Paderborner Kaiserpfalz, Dr. Matthias Wemhoff, die Ausstellungspolitik der großen Museen in den vergangenen Jahrzehnten. Der Bußgang des Salierkönigs zu Papst Gregor VII. im Jahr 1077, der einen historischen Wendepunkt im Machtkampf zwischen Kirche und Staat markierte, sei noch nie in den Fokus einer wissenschaftlich fundierten Mittelalter-Schau gestellt worden. So habe sogar die große Salier-Schau 1992 in Speyer diesen Aspekt fast völlig ausgeblendet.
Nun rücken drei Ausstellungspartner (Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Erzbistum und Stadt Paderborn) das Ereignis in ihren jeweiligen Museen in Paderborn in den Blickpunkt. Nach der 1999 ebenfalls gemeinsam durchgeführten und mit 320 000 Besuchern überaus erfolgreichen Karolinger-Schau wird damit zum zweiten Mal eine auch für die Stadt Paderborn bedeutende historische Epoche anhand wertvoller Exponate aus vielen bedeutenden Museen und Sammlungen aufgefächert.
»Im elften Jahrhundert wurde auch Paderborn neu erfunden«, erläuterte Wemhoff bei einer Reise an den Originalschauplatz des historischen Ereignisses in Norditalien. In dieser Zeit sei die Stadt durch Bischof Meinwerk von einer reinen Domburg in eine prosperierende Bischofsstadt umgewandelt worden. Und auch der Investiturstreit um die Berechtigung zur Einsetzung von Bischöfen, der in der Auseinandersetzung von Canossa eine wichtige Rolle gespielt habe, sei in Paderborn zu jener Zeit nachweisbar: Mit je einem vom König sowie einem vom Klerus eingesetzten Bischof hatte das Bistum zwei »rechtmäßig« beauftragte geistliche Repräsentanten.
Näher gebracht werden soll die Zeit den erwarteten 180 000 Ausstellungsbesuchern durch die Präsentation von insgesamt 700 zum Teil noch nie entliehener Schaustücke aus der Zeit der aufgehenden Romanik. Zu den wertvollsten Exponaten gehören das Original der Lebensbeschreibung der Markgräfin Mathilde von Canossa (Donizos »Vita Mathildis«) aus dem 11. Jahrhundert, das in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt wird. Allein zehn Leihgaben stellt der Heilige Stuhl aus seinem Besitz zur Verfügung - eine ganz ungewöhnliche Freigiebigkeit. Aus der römischen Kirche San Giovanni in Laterano gelang die Ausleihe des Papstthrons, der in der Kaiserpfalz gezeigt werden soll. Ihm gegenüber werden die Thronlehnen zu sehen sein, auf die sich Heinrich IV. und später sein Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden gestützt haben. Ihre Einwerbung sind der Partnerschaft mit der Stadt Goslar zu verdanken.
Die Paderborner Ausstellungsgesellschaft lässt sich das Ereignis 5,1 Millionen Euro kosten. Allein 720 000 Euro fließen in den Transport der wertvollen Stücke. Die Versicherungskosten für das 100-tägige Schauereignis, das parallel in drei Museen gezeigt wird, betragen knapp 500 000 Euro.

Artikel vom 06.05.2006