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Die Bayern begießen das erste
Doppel-Double in Deutschland

Alles wird anders: ein neues System - kein Druck in der Champions League

Köln(dpa). Die ausgelassenen Bier-Duschen direkt nach dem historischen Triumph mussten zwar entfallen, aber nach dem ersten Doppel-Double im deutschen Fußball haute der »ewige« Meister bei der Party auf einem Rheindampfer doch noch gehörig auf den Putz.
Nur der Trainer ging schon vor der feucht-fröhlichen Sause unterhalb des Kölner Doms über Bord. Nach Monaten der Abstinenz bekam Felix Magath nach dem 1:1 beim 1. FC Kaiserslautern der Alkoholgenuss auf der anschließenden Busfahrt der Bayern nach Köln nicht besonders - die Spieler ließen auf dem vom Hauptsponsor gecharterten »ChampionShip« die Champagner-Korken damit ohne ihren Chef knallen. »Felix fühlte sich nicht so gut«, sagte Manager Uli Hoeneß mit Weißbier in der Hand: »Er ist im Hotel geblieben.«
Die Spieler zeigten mehr Ausdauer - ins Ausnüchterungsspiel beim Oberligisten Bonner SC gingen einige Kollegen des nun alleinigen Rekord-Meisterspielers Mehmet Scholl, der seinen achten Meistertitel begießen konnte, mit einem Kater. Die Bayern unterlagen vor 12 000 Zuschauern 0:1. Schampus und Bier hatten sich Kapitän Oliver Kahn & Co. nach dem Doppelschlag mit 20. Meistertitel und 13. Pokalsieg verdient.
Nach dem Meistertor von An-dreas Ottl (68.), mit dem das 21 Jahre alte Eigengewächs die Lauterer Führung von Halil Altintop (26.) egalisierte, und der Berliner Schützenhilfe gegen den Hamburger SV (4:2) schmetterten die Bayern-Profis statt »Viva Colonia« lauthals ein »Viva Bavaria« auf dem Party-Boot. Die besonders ausgelassene Südamerika-Connection intonierte außerdem immer wieder ihr Lieblingslied: »Deutscher Meister wird nur der FCB!«
Die nationale Dominanz der Münchner ist erdrückend, auch wenn es keine Saison des Zauberfußballs war. »Wir haben mit vier Titeln in zwei Jahren geschafft, was noch keinem gelungen ist«, sagte Magath. Wortgewaltig wehrten sich die Seriensieger gegen eine angeblich zu geringe Wertschätzung ihrer Erfolge am Ende einer Saison, auf der das erneut frühzeitige Champions-League-Ausscheiden lastet. »Wer sagt, der FC Bayern habe die Saison nur gerettet, hat nicht alle Tassen im Schrank. Es ist kein Automatismus, dass man mit Bayern immer die Nummer 1 ist«, sagte Kahn.
Eine Kampfansage an Europas Elite wurde vermieden. »Wir werden nächstes Jahr den Druck von der Mannschaft total wegnehmen«, kündigte Hoeneß an, in der Champions League werde nur das Überstehen der Vorrunde als Ziel ausgegeben. Denn Bayern steht vor einem Umbruch. Michael Ballack ist in Zukunft nicht mehr dabei, neben Lizarazu und Jeremies steht wohl auch Scholl vor dem Abschied. Die Zukunft soll Schweinsteiger, Santa Cruz und Hargreaves gehören - sowie Lukas Podolski: Der 20-jährige Nationalspieler, der »die Vereinsführung informiert hat, dass ich zu Bayern München wechseln möchte«, wird wohl schon nach der WM für Bayern stürmen. »Wenn er jetzt nicht kommt, kommt er nächstes Jahr. Wir werden mit dem 1. FC Köln Gespräche führen mit dem Ziel, ihn zum 1. Juli nach München zu holen«, verriet Hoeneß. Einige Millionen wird das kosten. Verpflichtet werden soll auch HSV-Abwehrchef Daniel van Buyten. Kein Interesse besteht mehr an Schalkes Spielmacher Lincoln.
Die Lücke, die Ballack hinterlässt, soll intern geschlossen werden. »Wir werden anders spielen«, kündigte Magath mehr Kombinationsfußball an. Der künftige Chelsea-Profi Ballack war mit seiner Kopfballstärke noch einmal an Ottls Tor beteiligt, aber bei der Party schien er schon fast nicht mehr dazuzugehören. Vielleicht war der Nationalmannschafts-Kapitän gedanklich auch schon beim nächsten großen Ziel. »Fast 90 Prozent unserer Mannschaft hat ja noch die WM vor sich. Deshalb ist alles etwas gebremst«, sagte Kahn.

Artikel vom 08.05.2006