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Deutsche Mütter sind weder
faul noch »freizeitwütig«

Alte Statistik im Familienbericht - Fast sieben Stunden täglich fürs Kind

Von Rolf Dressler
Warburg/Berlin (WB). Falscher Alarm von Gutachtern und Medien: Deutschlands Hausfrauen und Mütter sind weder faul noch »freizeitwütiger« als Frauen und Mütter anderswo. Ganz im Gegenteil: Sie umsorgen, betreuen und erziehen ihre Sprösslinge bis zum Alter von sechs Jahren im Alltag sogar weitaus länger.

Exakt so ist es nachzulesen al- lerdings »erst« auf Seite 388 des gut 600 Seiten starken 7. Familienberichts der Bundesregierung, den CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen, wie ausführlich berichtet, am Dienstag voriger Woche vorgestellt hatte.
Dennoch beschäftigte sich praktisch die gesamte darauf folgende Presseberichterstattung und auch die Kommentierung kurioserweise ausschließlich mit einer inhaltlich völlig gegenteiligen Behauptung auf der Seite 57 dessellben 7. Fa- milienberichts:
»Die geringste Präsenz« so heißt es dort, »findet sich am Arbeitsmarkt (im europäischen Vergleich) bei deutschen Müttern, die diese gewonnene Zeit aber nicht in Hausarbeit investieren, sondern in persönliche Freizeit«.
Hierbei indes handelt es sich um eine Textpassage aus einer vier Jahre alten »Zeitverwendungsstudie« des Bundesamtes für Statistik. Darin schwingt erkennbar und nach Ansicht sachkundiger Kritiker unausgesprochen der Vorwurf mit, dass künftig viel mehr »Nur«-Hausfrauen und -Mütter als bisher berufstätig werden und ihre (Klein-)Kinder in externe Tages-betreuung geben sollten.
Demnach handele es sich um mehr als nur »einen offenkundig fragwürdigen«, politisch-ideologisch aber sichtlich gewollten Umgang mit Statistiken selbst bei Regierungsberatern sowohl der alten als leider auch der neuen Bundesregierung. Diese Ansicht äußerten im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT übereinstimmend Kostas Petropoulos vom Heidelberger Familienbüro (79199 Kirchzarten) und Dagmar Feldmann aus Warburg-Bonenberg im Kreis Höxter, seit vielen Jahren engagiertes Mitglied und heute im NRW-Landesvorstand der »Familienpartei«. Beide bezeichnen es als bedauerlich, dass die seinerzeit noch von der SPD-Ministerin Renate Schmidt berufene und nun auch von deren Nachfolgerin Ursula von der Leyen gleichermaßen belobigte Familienberichts-Kommission »allzu bereitwillig bestellte Wahrheiten« abliefere.
Im Tagesdurchschnitt umsorgen Deutschlands Mütter ihre Babys und Kleinkinder statistisch gesehen sechs Stunden und 50 Minuten. Darin eingerechnet sind Arbeiten wie Fahrdienste etwa zum Kindergarten und von dort zurück nach Hause sowie daraus resultierende, oftmals lange Wegezeiten.
Zum Vergleich: Schwedens und Finnlands Mütter wenden für ihre Kleinen im Tagesmittel 130 bzw. 154 Minuten auf. Doch diese sehr viel kürzeren Betreuungszeiten rühren daher, dass dort wie auch in anderen europäischen Ländern schon Babys und Kleinkinder von ihren berufstätigen Müttern häufig ganztägig in externe Einrichtungen gegeben werden.
Dieses »Zukunftsmodell« favorisieren bekanntlich vor allem die Sozialdemokraten in der Berliner großen Koalition. Inzwischen aber arbeitet, wie verschiedentlich berichtet, auch die Programmkommission der CDU an einem, wie sie es nennt, »neuen Familienbild«.

Artikel vom 06.05.2006