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Verrat und Rache
im dunklen Wald

»Gisela« in stampfendem Rhythmus


Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). 1841 wurde das romantische Ballett »Giselle« an der Pariser Oper uraufgeführt - das Theater Bielefeld zeigte den 2. Akt - oder jedenfalls das, was das Choreographenpaar Guy Weizman und Roni Haver daran so überaus fasziniert.
Es sind die Willis, die Rachefeen, die, so beschreibt sie Heinrich Heine in einer nacherzählten slawischen Legende, »weiß gekleidet« sind und deren »Rocksäume immer feucht sind«. Die Willis sind, wie Gisela selbst, Bräute, die vor der Hochzeit verraten wurden und die sich an den Männern rächen, indem sie versuchen, sie zu Tode zu tanzen.
In kraftvoller Bildersprache lassen Weizman/Haver die Ballett-Compagnie des Theater Bielefeld die Mär von »Gisela« im Theaterlabor Tor 6 erzählen - »Gisela« hatte am Samstag Premiere, gefolgt von Jo Stromgrens Choreographie »A Remixed Dance Tribute To Football« (Bericht Seite Kultur).
Die Bewegungen brechen abrupt ab, sie sind sparsam, reduziert, erinnern nur noch ansatzweise an ein klassisches Ballett wie »Giselle«. Die Musik ist stampfend, dröhnend, fordernd - so wie es das Verhalten der Frauen den Männern gegenüber ist. Es ist eine absurde Welt, die nur zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang existiert - mit absurden Gestalten, die sich gegenseitig blutig zu beißen scheinen. Die Choreographie versucht nach dem geheimnisvollen Zustand der Willis mit ihrem gierigen Blick aus schwarz umrandeten Augen nachzuspüren: Sie suchen die Freuden, die ihnen durch den frühen Tod versagt wurden und sie ziehen die Männer mit hinein in ihren zerstörerischen Sog.
Die Männer nähern sich ohnehin unterwürfig, auf dem Bauch kriechend, den geheimnisvollen, aber offenbar auch verführerischen Wesen.
Die Bielefelder Tänzer verausgaben sich bis zur Erschöpfung, ihre Bewegungen wirken manchmal so, als seien sie Marionetten, deren Fäden urplötzlich durchgeschnitten worden seien. Sie sacken zusammen, aber nur, um Sekunden später zu neuem ekstatischem Leben zu erwachen.
Zuschauer müssen bereit sind, sich auf einen ungewöhnlichen Abend einzulassen - auf eine neue Sicht auf ein altes Thema.
Weitere Vorstellungen sind am 9., 10., 14., 19., 21., 26., 27. und 31. Mai im Theaterlabor Tor 6.

Artikel vom 08.05.2006