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Bibliothek bietet weiter Bestseller

Harald Pilzer, Leiter der Stadtbibliothek, sieht keinen Anlass, Konsequenzen zu ziehen.

Börsenverein des Buchhandels will die Ausleihe unterbinden


Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). »Wir sehen keinen Anlass für Konsequenzen,« sagt Harald Pilzer, Leiter der Stadtbibliothek Bielefeld. Ein Rechtsgutachten, vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Auftrag gegeben, ist zu dem Schluss gekommen, dass die seit mehreren Jahren bewährte Bestseller-Ausleihe von Bibliotheken wettbewerbswidrig ist, weil es sich dabei um ein »Vermieten« handeln würde. Ulrich Moeske, Leiter der Stadtbibliothek Dortmund, der die Verhandlungen für den Deutschen Bibliotheksverband (DBV) führt, sieht wie Pilzer keinen Grund, den Bestseller-Service abzuschaffen: »Dem DBV liegt ein Gegengutachten vor, das den Service für Rechtens hält - warum also sollten die Bibliotheken vom bewährten Verfahren abweichen?«
Das Gutachten des Börsenvereins spricht von einem »Büchervermieten«, weil zusätzlich zur üblichen Nutzerjahresgebühr für jeden Bestseller, der für maximal vier Wochen heraus gegeben wird, ein Entgelt in Höhe von zwei Euro erhoben wird. Um dieses »Vermietgeschäft« zu legalisieren, brauche man für jeden Bestseller die Einwilligung des Verlages.
In der Bielefelder Stadtbibliothek richtet man sich nach der Bestsellerliste des Magazins »Spiegel«: Bücher, die montags dort neu aufgeführt werden, werden angeschafft und sind von Dienstag an ausleihbar. Pilzer: »Bei einem Bestand von 550 000 Bänden sind das wenige hundert Bücher - und nur ein winziger Bruchteil der Gesamtausleihe von 1,2 Millionen Medien pro Jahr.« Der Buchhandel beruft sich darauf, dass er einen Großteil seines Umsatzes eben mit dem Verkauf von Bestsellern erziele. Für Harald Pilzer sind Leiher auch gute Buchkäufer.
Ulrich Moeske sieht für den DBV keinen Grund zu reagieren: »Eine endgültige Klärung kann nur ein Gericht herbei führen. Dazu müsste ein Verlag eine Musterklage anstreben - nicht der Börsenverein.« Wer in der Zentralbibliothek einen topaktuellen Bestseller leihen will, muss schnell sein: Die wahren Toptitel sind meistens ausgeliehen.

Artikel vom 06.05.2006